Die literarische Aufarbeitung ihres Lebens geht weiter. Mit „Jahre später“ nimmt Angelika Klüssendorf die Schilderung der Lebensgeschichte Aprils wieder auf. Nach Kindheit, Jugend und dem Erwachsen-Werden ist jetzt das Leben als Frau, Mutter und Ehefrau im Blick. Wie schon in „Das Mädchen“ und dem namensgebenden zweiten Roman „April“ geht es um die Schwierigkeiten dieser Frau, das Leben zu meistern und Halt zu finden. „Jahre später“ beendet eine Trilogie, in der Klüssendorf mit radikaler Reduktion der Worte die maximale Ausdruckskraft findet, um von seelischen Qualen zu erzählen.
April, die Klüssendorfs Leser als aufsässiges uns Liebe suchendes Kind in den Mühlen der DDR-Kinderheime kennengelernt haben, ist inzwischen eine erwachsene Frau. Bei einer Lesung lernt sie einen Mann kennen, der sich in sie verliebt. Er ist erfolgreicher Chirurg, hat Geld, Anerkennung und Status. Für April ist es deshalb zunächst sehr verwirrend, dass er um sie wirbt. Aber sie lässt sich auf Ludwig ein, beginnt die Aufmerksamkeiten zu genießen. Da Ludwig auch ihren Sohn mag, öffnet sich die verschlossene April ihm immer mehr. Bis hin zum Umzug von Berlin nach Hamburg, der Hochzeit und dem von Ludwig gewünschten gemeinsamen Kind wird ihr Leben immer mehr eins mit dem Ludwigs.
April entwickelt sich immer mehr zur Hausfrau. Das Schreiben fällt ihr immer schwerer. Und mit der Routine zieht auch eine immer größere Distanz zwischen den Partnern ein. Ludwig zieht sich zurück, schläft Jahre lang nicht mit seiner Frau, die ihn zusehends nervt. April versucht den Schein aufrecht zu halten und rutscht doch immer tiefer in depressive Phasen, die sie auch schon früher so oft erlebt hat. Schließlich trennt sie sich von Ludwig und löst damit einen veritablen Rosenkrieg aus, in dem sie spürt, wie ihr der Boden unter den Füßen entzogen wird. Ein Leben zwischen Depression, Psychopharmaka und dem Kampf um den gemeinsamen Sohn beginnt.
Angelika Klüssendorf schafft es auch diesmal, die seelischen Qualen Aprils in knappen Sätzen so zu formulieren, dass das Lesen schmerzhaft werden kann. Die Kraft der reduzierten Sätze zwingt den Leser die Leerstellen zu spüren. Gesteigert wird dies in diesem Roman noch durch einen gewissen Voyeurismus des Lesers. Denn der Ludwig des Romans ist eine literarische Verdichtung und Interpretation von Frank Schirrmacher, dem viel zu früh verstorbenen Feuilleton-Chef der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Mit ihm war Klüssendorf verheiratet. Da ihre Romane sehr stark autobiografische geprägt sind, liegt der Schluss nahe, dass Ludwig viel von Schirrmacher hat. Doch die Gestaltung ihres Lebens als Stoff für ihre Trilogie ist deutlich mehr als das Nacherzählen des eigenen Lebens. Es ist ein Destillat der seelischen Empfindungen. damit gehen die Texte viel tiefer als es eine oberflächliche Erzählung der Lebensereignisse könnte.
Die Trilogie von Angelika Klüssendorf:
„Das Mädchen“ von Angelika Klüssendorf ist ein Meisterwerk der Reduktion
Angelika Klüssendorf begleitet April in den Westen
Angelika Klüssendorf beendet mit „Jahre später“ die Trilogie über April