Historische Romane sind sehr oft bunt und überladen. Sie versuchen, dem Leser der Gegenwart angesichts eines Panoptikums der Seltsamkeiten der Vergangenheit einen wohligen Schauer zu bescheren. Wer mit solchen Erwartungen an „Cox oder der Lauf der Zeit“ von Christoph Ransmayr liest, wird enttäuscht. Wer sich aber auf die Geschichte aus dem China des 18. Jahrhundert einlässt, um darin ein Gleichnis über Zeit und Vergänglichkeit zu finden, wird angesichts der Sprache Ransmayrs nicht mehr von diesem Buch lassen können. Nicht Effekt, sondern Sätze von fast wunderbarer Schönheit machen diesen Text aus. Der Kaiser von China ruft Alistair Cox in die Verbotene Stadt. Dort soll er Uhren bauen, die es noch nie gegeben hat. Sie sollen zum Ausdruck bringen, wie ein Kind die Zeit empfindet oder wie ein Sterbender mit der Zeit umgeht. Die Anforderungen an den wohl bedeutendsten Uhrmacher des 18. Jahrhunderts sind also gewaltig. Einen Cox gab es übrigens tatsächlich. Aber der hieß nicht Alistair, sondern James. Seine mechanischen Chronometer waren so berühmt und von so ausgesuchter Exklusivität, dass sie tatsächlich bis an den Hof in St. Petersburg und auch bis nach China. Im 18. Jahrhundert, in dem Newton die wichtigsten physikalischen Gesetze erkannte, in dem sich die Wissenschaft auf den Weg machte, das Denken und Weltbild radikal zu verändern, waren mechanische Uhren und roboterartige, mechanische Figuren in Mode.
Vor diesem Hintergrund lässt Christoph Ransmayr seinen Cox nach China reisen, um dem Kaiser die besondersten, kostbarsten und faszinierendsten Uhren bauen zu lassen. Für die Cox und seine Mitarbeiter ist die Abgeschiedenheit am Hof ein Kulturschock, der noch verstärkt wird, als eine junge Frau ins Leben Cox‘ tritt. Ransmayr gelingt es in seinem Roman in einer genauen, stilistisch perfekten Sprache zu schildern. Die Worte oszillieren geradezu und entführen den Leser in eine Welt, in der die Zeit und der Raum in einer eigene Dimension verschwimmen. Das literarische Kunst auf dem allerhöchsten Niveau. Für manchen Leser mag das vielleicht zu artifiziell sein. Für Liebhaber großer Literatur ist „Cox“ ein Fest.