Brustkrebs bei einer jungen Frau. Das ist ein Stoff, den man eigentlich nicht abends auf DVD sehen will. Aber wenn er so humorvoll, so intensiv umgesetzt wird, wie in „Eine andere Liga“, dann lohnt sich das Anschauen nicht nur, es ist ein richtiges Erlebnis.
Hayat ist 20 Jahre alt. Sie liebt Fußball, ist in ihrer Mannschaft eine wichtige Stütze. Doch dann kommt die alles zerstörende Diagnose: Brustkrebs. Karoline Herfurth spielt Hayat. Der Film beginnt damit, wie sie nach ihrer Brustamputation wieder beim Training erscheint. Doch da ist sie nicht mehr willkommen. Ihr Platz ist besetzt und Angst haben die anderen Fußballerinnen auch. Wie sollen sie mit Hayat umgehen?
Die lernt zufällig den Trainer des FC Schanze kennen. Benannt nach dem Multikultiviertel Hamburgs kicken vor allem Mädchen verschiedenster Herkunft in der Mannschaft. Richtig ernst nehmen sie den Sport aber nicht. Erst als sie merken, wie wichtig Hayat der Sport ist, legen sie sich auch ins Zeug. Der Trainer (Ken Duken) und die kranke Spielerin verlieben sich natürlich ineinander.
Wie Karoline Herfurth die Angst vor dieser Liebe spielt, ist großartig. Und wie Ken Duken sich ihr annähert und die Zurückweisungen aus Angst versteht, ist wunderbar. Regisseur Buket Alakus gelingt es, in 99 Minuten die drei Geschichten von Hayats Krankheit, Fußball-Leidenschaft und Liebe zu einem sehenswerten Film zu bündeln. Ein ernster Film, voll heiterer Bilder.
Eine andere Liga ist bei Neue Visionen erschienen. Die DVD kostet ab 19,90 Euro und ist im Handel erhältlich.
Als seine Frau im Alter von 36 Jahren an Krebs starb, ging Kluun (41), mit bürgerlichem Namen Raymond van de Klundert, nach Australien, wo er seinen Roman „Mitten ins Gesicht“ schrieb. Das Buch des Schriftstellers aus den Niederlanden wurde zum Bestseller und bot vielfach Zündstoff zur Diskussion.
Ihr Buch handelt davon, wie der Brustkrebs das ganze Leben einer 35 Jahre jungen Frau und vor allem ihres Mannes verändert. Auf dieses Thema reagieren viele mit Abwehr.
Ich habe bei Lesungen viele erlebt, die sagten: „In dem Buch geht es um einen Mann, der fremdgeht, weil seine Frau stirbt? Das möchte ich gar nicht lesen!“ Mein Buch ist eines
von denen, die von anderen Lesern empfohlen werden müssen. Die wissen dann, dass es vor allem ein Buch über eine tiefe Liebe ist.
War Ihnen klar, dass das Leben mit und das Sterben an Brustkrebs ein so heikles Thema ist?
Ja. Für die Betroffenen, im Buch für Carmen und Stijn, ist das ein Thema, das viel wichtiger ist, als für Freunde und Familienangehörige. Für die zählt nur die Gesundheit und das Überleben. Aber für Carmen und Stijn geht es um mehr. Das, was sie erleben, habe ich auch mit meiner Frau erlebt. All unsere Freunde haben den Krebs mitbekommen. Wir waren junge, urbane Leute. Da wurde mit Freunden und Freundinnen auch immer über Sex geredet. Aber was die Brustamputation mit meiner Frau gemacht hat, danach hat keine von den Freundinnen gefragt. Keine wollte wissen, wie es ist, ohne Brust zu leben. Und keiner meiner Freunde hat mich gefragt, wie das ist, mit einer Frau ohne Brust zu leben.
Also ein richtiges Tabu?
Ob Tabu das richtige Wort ist? Es ist mehr eine Art Verdrängung. Wenn du eine lebensbedrohende Krankheit bekommst, dann ist für die Außenwelt nur dein Überleben
wichtig. Alles andere ist unwichtig. Genau das hat meine Frau und mich frustriert. Diese Reaktion der Außenwelt ist Quatsch.
Warum?
Ich glaube, dass Brüste das Symbol für Sexualität schlechthin sind. In Werbung, Film oder Mode, überall werden die Brüste als das Symbol für Weiblichkeit inszeniert. Wenn eine junge Frau krank wird, dann ist das für die Umwelt aber auf einmal nicht mehr wichtig.
Noch nicht bei der ersten Diagnose. Da war eine Brustamputation noch keine Option, weil der Tumor zu groß war. Aber als dann die Ärzte über die Brust meiner Frau diskutierten, war uns klar, dass sich unser Leben verändern wird. Wenn meine Frau noch zehn oder fünfzehn Jahre gelebt hätte, wäre die Wirkung eine andere gewesen.
Aber die Amputation kann doch nicht rückgängig gemacht werden.
Ich glaube, dass mit den Jahren der Einfluss der Brustamputation auf die Beziehung unwichtiger wird. Wenn eine Frau mit 30 oder 40 Jahren ihre Brust verliert und dann
noch 70 oder 80 Jahre alt wird, dann ist der Zustand irgendwann bestimmt normal. Dann ist es wie eine Art Schönheitsfehler. Aber wir hatten diese Zeit nicht. Uns blieb nur ein Jahr. Wir hatten nicht die Chance, damit leben zu lernen.
War es eine schreckliche Erfahrung, wie die Ärzte damit umgehen?
In Holland ist gerade ein Foto-Band von Frauen erschienen, die nur noch eine Brust haben. Die Herausgeberin ist Chirurgin. In ihrem Vorwort hat sie geschrieben, dass sie die Probleme bis zur Lektüre meines Buches nie sah. Obwohl sie selbst eine Frau ist, habe sie Brüste immer genauso operiert wie Arme oder Ohren. Aber jetzt verstehe sie, welche Belastung eine solche Operation für die Frau und auch den Mann sei.
Stijn, der Mann der kranken Frau, geht fremd. Irgendwie ist er ein Drecksack, aber ein sympathischer.
In Stijn habe ich die schwarze, die schlechte Seite von mir selbst vergrößert. Stijn schaut jeder Frau hinterher – und auf jeden Busen.
Wenn man Umfragen trauen darf, wird Treue wieder wichtiger.
Viele Menschen hoffen, dass das Treue-Versprechen bei der Hochzeit gehalten werden kann. Auch ich hoffte, dass das Versprechen, in guten wie in schlechten Zeiten treu zu bleiben, bis dass der Tod uns scheidet, hält. Mein Buch hält den Spiegel in dem Moment vor, in dem es schlecht geht. Märchen funktionieren nur in guten Zeiten. Aber was passiert in schlechten? Das weiß keiner. Deshalb ist das Buch so hart. Ich denke, es ist mir gelungen, Stijn als Drecksack darzustellen. Und dennoch die Frage aufzuwerfen: Wie wärst du selbst, wenn dir so etwas passiert?
Stijn geht nicht nur fremd. Er hat auch ein Verhältnis.
Von allen Arten des Fremdgehens ist ein Verhältnis die moralisch verwerflichste. Von vielen Lesern habe ich jedoch gehört, dass Stijn die One-Night-Stands, das rein sexuelle Fremdgehen, mehr verübelt werden als das Verhältnis mit Roos. Die Leser verstehen, dass dieses Verhältnis wichtig ist.
Ihr Buch kann einem die Tränen in die Augen treiben. Ging Ihnen das beim Schreiben auch so?
Ja. Der dritte Teil ist zu 99 Prozent autobiografisch. Hier sind die Briefe von Carmen an die Tochter Luna, fast genauso wie die meiner Frau an unsere Tochter. Der Abschied von Luna ist zu 100 Prozent so geschehen. Das war beim Schreiben emotionaler als in Wirklichkeit. Da war ich ein Manager des Trauerns. Da wollte ich mich um den Abschied kümmern, um es meiner Frau so schön wie möglich zu machen. Das Buch ist die zwölfte Version des
Originalmanuskripts. Am Ende ist das Buch kein Roman mehr, sondern eine Lebensgeschichte.
Es ist auch ein Buch über Sterbehilfe. Die beschreiben Sie als etwas Selbstverständliches
Ja, in Holland ist das selbstverständlich, aber in Deutschland nicht. Auch deshalb bin ich stolz darauf, dass die Deutsche Krebshilfe das Buch adoptiert hat. Sie sagt, dass ich keinen Leitfaden für Sterbehilfe geschrieben habe. Aber dennoch habe ich wohl den Vorgang so beschrieben, wie man es noch nie gelesen hat.
Ich habe das Buch als Plädoyer für Sterbehilfe wahrgenommen, weil eine junge, starke Frau bewusst entscheidet, wann für sie Schluss ist.
Mir geht es nicht um die Auseinandersetzung, ob Sterbehilfe gut oder schlecht ist. Ich verstehe, dass es für deutsche Politiker ein sehr schwieriges Thema ist. Nachdem die Nazis
ihre Morde an Behinderten als Euthanasie, als Sterbehilfe bezeichneten, ist das in Deutschland sehr problematisch. Insofern ist es gut, dass ein Ausländer wie ich darüber
schreibt. Dann können die Leute selbst darüber nachdenken und sich fragen: Was ist so schlimm daran?
Worum geht es im nächsten Buch?
Das neue Buch fängt da an, wo „Mitten ins Gesicht“ aufgehört hat. Fertig ist die Geschichte erst am Ende des zweiten Buches. Das heißt „Der Witwer“. Witwer ist ein Wort, das nur für Leute im Alter von 70 oder 80 Jahren benutzt wird. Zu 30- oder 40-Jährigen sagt man das
nicht. Aber die Betroffenen sind es tatsächlich.
Die Nachricht ist ein Schlag mitten ins Gesicht: Carmen hat Brustkrebs. Sie ist 35, verheiratet und hat ein Kind. Außerdem ist sie erfolgreiche Geschäftsfrau. Was wie der Plot eines rührseligen Betroffenheitsdramas klingt, ist der Stoff eines der besten Bücher
des Jahres: Mitten ins Gesicht.
Kluun heißt eigentlich Raymond van de Klundert (41). Als er anfing zu schreiben, ging es tatsächlich um die Aufarbeitung des Krebstodes seiner Frau. Die starb mit 36. Doch seine Lektorin und viel eigene Arbeit am Text machten aus den Aufzeichnungen einen Roman.
Der schlug in den heimischen Niederlanden wie eine Bombe ein. Er kletterte auf Platz eins der Bestsellerlisten und entfachte die Debatte über Sterbehilfe neu.
Kein Wunder. Denn Kluun schildert eine starke, selbstbewusste Kranke, die beschließt, wann sie sterben will. Nämlich dann, als die Chemotherapie durchgestanden, die Brust amputiert ist und die nächsten Chemos nach der Streuung der Metastasen in die Leber keine Wirkung mehr erzielen. Da kommt der Punkt, an dem der Schmerz der einst so lebensfrohen Carmen den Nerv raubt.
Wer liest, wie sich die Krankheitsgeschichte darauf zu bewegt, kann sich diesem Sterbehilfe-Plädoyer nicht entziehen. Viel wichtiger ist jedoch die Sicht des Mannes. Stijn zerbricht fast. In der Beziehung, in der Sexualität ein so wichtiges Element war, zerstört die Nachricht vom Brustkrebs das ganze Gefüge. Stijn leidet wie ein Hund, weil er jedes nur denkbare Verständnis für Carmen aufbringt, aber dennoch nicht ohne Sex leben kann. Er stürzt sich in Affären, beginnt ein Verhältnis, schluckt XTC (Ecstasy) und versucht auch sonst, immer wieder aus dem Käfig mit der kranken Carmen zu fliehen.
Das ist aber nur die eine Seite. Die andere ist seine vollständige Bereitschaft, bei jedem Arzttermin dabei zu sein, stets die emotionale Stütze für die Liebe seines Lebens – so Stijn immer wieder – zu bleiben. Es ist diese Perspektive, die das Buch so lesenswert macht. Natürlich ist Carmen krank. Sie kämpft mit dem Tod und stirbt. Doch Kluun zeigt auch, was es für die Partnerschaft bedeutet, wenn die Brust als Sinnbild für Erotik und Sinnlichkeit entfernt wird. Wenn Diagnose und zerstörerische Therapie alles radikal verändern. „Mitten ins Gesicht“ ist ein Roman über eine tiefe Liebe. Songzitate, SMSen, Tagebucheinträge und Kneipentipps bilden den Rahmen der unsentimentalen Erzählung.
Kluun schreibt ruhig und sachlich. Die Wirkung ist aber ganz anders: Wer das Buch ohne eine Träne zu vergießen liest, hat ein Herz aus Stein.