Dieses Buch grenzt an Wahnsinn. Frank Wonneberg hat nichts Geringeres gemacht, als sämtliche Platten von Frank Zappa in allen ihren Ausgaben zu sammeln, zu katalogisieren und zu beschreiben. Für alle, die mit Zappa nicht sonderlich viel anfangen können, mag das nach Archivstaub klingen. Doch Wonneberg schreibt anhand der einzelnen Platten eine Biografie, eine Geschichte der Rockmusik und eine Geschichte der Musiktechnologie von der E-Gitarre über das Synclavier bis hin zur digitalen Studiotechnik.
„Grand Zappa – Internationale Frank Zappa Discology“ ist also vielmehr als eine absurde Aneinanderreihung der unterschiedlichen Label und der gleichen Schallplatte oder CD. Obwohl auch dies schon ein spannendes Thema ist. Wonneberg erschließt damit nämlich nicht nur die offiziellen Platten Zappas, sondern auch die Bootlegs, also inoffizielle Kopien und vor allem Konzertmitschnitte, die niemals autorisiert wurden. Diese Bootlegs aber spielten in den späten 1960er- und in den 1970er-Jahren eine große Rolle bei Fans. Bestimmte Bootlegs sind noch heute bei Sammlern sehr viel wert. Und das nicht nur bei Zappa, sondern vor allem auch bei Jimi Hendrix, den Doors, Bob Dylan und Velvet Underground.
Zum Fan-Sein hat diese Sammelwut immer dazugehört. In Zeiten digitaler Download-Plattformen ist diese Liebe zu den Details der Tonträger kaum noch nachzuvollziehen. Umso schöner ist es, dass sich der Sammler und Fan Wonneberg so akribisch bei Frank Zappa auf die Suche gemacht hat. Damit legt er auch ein kleines Stück Kulturgeschichte frei. Am oben abgebildeten Album „We’re only in it for the money“ lässt sich die Arbeit Wonnebergs gut darstellen. Ursprünglich war die Platte als direkte Reaktion auf „Sgt. Pepper’s“ von den Beatles konzipiert. Das lässt sich sehr gut am Cover oben rechts erkennen. Doch gab es wohl Probleme mit den Rechten an der Collage. Deshalb ist die erste Ausgabe in den USA mit einem Wendecover erschienen (das zweite von oben rechts). Die folgenden beiden Cover sind für CDs in den Jahren 2005 und 2008 entstanden, also lange nach Frank Zappas Tod.
Wonneberg erzählt die Geschichte des Covers ebenso knapp wie entscheidende Details zur Musik und zur Aufnahmetechnik. Insofern liefert er zu jeder Platte Zappas eine fundierte Kurzkritik, die angesichts der technischen Details auch eine Technikgeschichte der Rockmusik ergeben. Denn Frank Zappa war neuen technischen Möglichkeiten immer aufgeschlossen. Eigentlich hätte er am liebsten alles selbst gemacht, um seinen Perfektionismus ausleben zu können. Musiker mit eigenen Ideen und eigenen Interpretationen seiner Musik waren für ihn oft störend. Deshalb mischte Zappa die Mastertapes auch möglichst selbst. Und später bearbeitete er sie erneut, wenn es um neue Auflagen oder ab den 1980er-Jahren um die Veröffentlichung von CDs ging.
Angesichts der komplexen Musik, die ja nie einfache Rockmusik war, sondern sich immer an den Formen und Ausdrucksmöglichkeiten der Neuen Musik von Edgar Varese, Arnold Schönberg und anderen orientierte, ist dieser Drang zur Durchsetzung des eigenen Klangs sogar verständlich. Auch wenn er es vielen Musikern unmöglich machte, länger mit Zappa zusammenzuarbeiten. Wonneberg hat zu jeder der 45 offiziellen Zappa-Alben kuriose Informationen gesammelt. Beim Beispiel oben etwa die Hinweise, weshalb die Zensur an einigen Texten Anstoß nahm. In der Fülle der Texte entsteht so eine kleine Sittengeschichte vor allem der USA. Denn Zappa, der sich ja als Bürgerschreck inszenierte, setzte seine Texte immer wieder bewusst ein, um die Zensur auf den Plan zu rufen. Schließlich gibt es für Platten und Bücher kaum eine bessere Öffentlichkeitsarbeit als den Hinweis auf die Zensur. Im prüden Amerika war das für den Provokateur auch nicht schwer.
Die Texte Wonnebergs zeichnet bei einer großen Liebe zum Detail und zum Respekt des Fans vor dem verehrten Künstler dennoch eine gewisse Distanz aus. Der Autor liegt seinem Objekt der Begierde und Beschreibung nicht aus Demut zu Füßen. Im Gegenteil: Wonneberg hat eine ähnliche Ironie wie der Meister. Und so finden sich in den Texten auch etliche kleine Spitzen, die das Buch insgesamt lesenswert machen. Die Gestaltung des prachtvollen Bandes im Format von 36,5 mal 30 Zentimeter ist großartig. Die Fülle der grafischen Objekte wird klar und erkenntnisgewinnend präsentiert. Auch das hat Frank Wonneberg selbst übernommen, mit einem feinen Gespür für Typografie und Layout. Für Zappa-Fans ist das Buch sicherlich ein Muss. Aber angesichts der Freude am Detail ist der Band auch eine Freude für jeden Bücher- und Musikfreund.
Frank Wonneberg: „Grand Zappa“, Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin, 69,95 Euro MOZ-Rezension…
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