Politische Kommunikation – oder Wie sage ich es den Bürgern?
Zusammenfassung meines Vortrags bei einem Workshop vom „Bündnis für Demokratie und Toleranz“ und „Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V.“ am 24. September 2011 in Kassel.
Politische Kommunikation (1) – Einführung
Politische Kommunikation (2) – Kommunikations-Versagen: Stuttgart 21
Politische Kommunikation (3) – Kommunikations-Versagen: Flughafen Schönefeld
Politische Kommunikation (4) – Kommunikations-Versagen bei den Stromtrassen
Politische Kommunikation (5) – Veränderte Rolle der Tageszeitungen
Politische Kommunikation (6) – Gefährdete Öffentlichkeit in Mecklenburg-Vorpommern
Politische Kommunikation (7) – Wie lässt sich regionale Öffentlichkeit dennoch herstellen?
Politische Kommunikation (8) – Piraten als Ausdruck veränderter Kommunikation
Bürgerengagement im Netz
In vielen politischen Diskussionen über das Internet wird die Anonymität beklagt. Dies mag für bestimmte Bereiche stimmen. Etwa bei den Kommentarfunktionen von Medienangeboten oder auch bei Blogs, die unter Pseudonym geschrieben werden. Aber die Verschleierung der Identität ist fester Bestandteil der politischen Kommunikation – und das nicht nur in Diktaturen. Ob das Streiflicht der Süddeutschen Zeitung oder viele Kolumnen in den Lokalteilen der Tageszeitungen, das Verfahren, den Verfasser zu verheimlichen, hat eine lange Tradition und sollte eigentlich auch Innenminister Friedrich bekannt sein.
Was völlig übersehen wird, ist das häufige öffentliche Bekenntnis im Internet. Wer auf Facebook seine Unterstützung für die Kandidatur von Joachim Gauck als Bundespräsident zum Ausdruck brachte, tat dies in der Regel mit echtem Namen und seinem Gesicht. Nur so funktioniert der Schneeballeffekt, der zu immer mehr Unterstützern führt. Die persönliche Empfehlung von mir bekannten Menschen veranlasst mich, ebenfalls zu unterstützen. Im Gegensatz zur Unterschrift auf einer analogen Unterschriftenliste zeige ich auf Facebook mein Gesicht für oder gegen ein Projekt, einen Kandidaten oder eine politische Kampagne.
Die politische Beteiligung ist hier viel persönlicher und offener, als immer dargestellt. Ja, das Bekenntnis ist sogar viel authentischer als früher. Diesen Wert gilt es zu beachten und fördern. Das Engagement darf nicht als minderwertig abgetan werden, nur weil es in einer anderen Form gezeigt wird. Natürlich ist es leicht, den Like-Button bei Facebook zu klicken, weil mir ein Freund – wobei ich das Wort Bekannter für die bessere Übersetzung des englischen friend bei Facebook halte – etwas empfohlen hat. Dennoch ist mein Like ein Bekenntnis. Wie gut diese Mobilisierung für Themen funktioniert, war nicht nur bei der Gauck-Kampagne zu beobachten. Auch bei den Mobilisierungsaktionen von Kompakt oder den Online-Petitionen des Bundestages funktioniert dies. Spätestens beim letzten Beispiel müsste jeder einsehen, dass online nicht schlecht und anonym ist, sondern sehr oft das Gegenteil. Aber für eine obrigkeitsstaatliche politische Kommunikation ist der Weg über die sozialen Netzwerke nicht erfolgreich.
Denn es geht um das Vernetzen von Menschen und nicht um das Erklären ex cathedra. Wer sich das klar macht, kann allerdings neue Formen der Bürgerbeteiligung entwerfen. Er kann als Politiker auch sinnvoll kommunizieren. Aber nur, wenn er bereit ist, auch die Antworten der Menschen im Netz ernst zu nehmen – und gegebenenfalls auch selbst zu antworten. Mit diesen Schlaglichtern auf veränderte Kommunikationsbedingungen in den Medien und im Internet möchte ich enden. Ich hoffe, sie regen zur Diskussion an.