Franca Rame erzählt ihr Leben mit Dario Fo

Ohne Franca Rame gäbe es den Literaturnobelpreisträger Dario Fo nicht. Die Frau an der Seite des Theater-Anarchisten hat mit seiner Unterstützung eine Autobiografie geschrieben, die so ist, wie alles, was die beiden auf die Bühne gebracht haben: schnell, lustig, überraschend und lehrreich.

Franca Rame hat das Theater schon als Kind kennen und lieben gelernt. Ihre Eltern hatten eine eigene fahrende Bühne, mit der sie in ganz Italien auftraten. Die kleine Franca erlebte die Kunst des Theaters als Gewerbe, das die Familie ernähren musste. Und als Faszinosum, das die Besucher in einer Zeit ohne Fernsehgeräte in ein Reich der Phantasie verführte.

Im Italien Mussolinis lernte die 1929 geborene Franca zudem, wie Komik selbst in der Diktatur ein Weg sein kann, die Wahrheit auszusprechen. Dario Fo hat dann später das Theater über seine spätere Frau kennengelernt. Sein Sprachwitz und ihre Spontaneität auf der Bühne waren der Kitt, der aus dem Ehepaar ein unverwechselbares Bühnenpaar machte, das auch heute noch zusammen auftritt. Ihr Buch hat Franca Rame wie ein einen Bühnenmonolog angelegt. Deshalb heißt es auch „Ein Leben aus dem Stegreif“. Und weil damit das Lebensgefühl dieser Künstlerin auf den Punkt gebracht wird. In Episoden erzählt sie aus ihrem Leben.

Manchmal meldet sich Dario Fo aus dem Off und korrigiert ihren Monolog. Ganz so, wie es in seinen Stücken oft die Figuren der Commedia dell’Arte machen. Diese Entdeckung des traditionellen Volkstheaters Italiens hat maßgeblich zum Erfolg des Paares beigetragen. Rame beschreibt fesselnd, wie sie als bekennende Linke auch in der katholischen Provinz die Zuschauer Fesseln konnten. Der Führung der Kommunistischen Partei war das nicht immer recht.

Denn Wahrhaftigkeit und Witz waren den beiden stets wichtiger als eine Parteilinie. Selten war eine Autobiografie so frei von Eitelkeit wie diese. Rame zeigt ihren Weg von der fahrenden Schauspielerin bis zur unabhängigen Abgeordneten im italienischen Senat. Dabei wahrt sie stets Distanz zu sich selbst und erkennt so die komischen Seiten ihres Lebens. Denn die Schauspielerin ist es gewohnt, sich von außen zu betrachten – und das Gesehene in einer direkten, schnörkellosen Sprache zu erzählen.

MOZ-Rezension…

Georg Forster: Ein wahrhaftiges Helden-Epos

Georg Forster: James Cook, der Entdecker
Georg Forster: James Cook, der Entdecker

Georg Forster war 22 Jahre alt, als er nach dreijähriger Entdeckungsfahrt mit Georg Forster wieder in England ankam. Er war mit seinem Vater bei dieser Fahrt durch die Südsee als  wissenschaftlicher Zeichner dabei. Nach dem Tod von James Cook auf dessen dritter großer Fahrt schrieb Georg Forster seinen Essay „James Cook, der Entdecker“. Dieses Buch ist jetzt bei Einborn neu aufgelegt worden.

Georg Forster gelingt es, die Leistung von James Cook zu würdigen: Er war der Mann, der die mit Abstand meisten fremden Küsten, Inseln und Länder nicht nur entdeckte, sondern auch noch karthographisch so erfasste, dass die Nachwelt auch etwas davon hatte. Was das Buch von Forster heute noch so spannend macht, ist die in einer klaren Sprache erzählte Wirklichkeit auf den Schiffen. Und die Bedachtsamkeit, mit der Cook fremden Völkern gegenübertrat. Und zu guter Letzt ist das Buch ein wunderbarer Blick auf einen rationalen Geist, der auf die deutsche Aufklärung nachhaltig wirkte.

Georg Forster: James Cook, der Entdecker. Eichborn Berlin. 176 Seiten. Mit acht vierfarbige Illustrationen. 24,95 Euro.

Dario Fo spricht von der Welt, wie er sie sieht

Dario Fo: Die Welt, wie ich sie sehe
Dario Fo: Die Welt, wie ich sie sehe

Er ist eine der schillernsten Figuren Italiens. Seine Art, Theater zu machen, hat die Tradition der derben Comedia dell’Arte mit modernen Themen verbunden. Dario Fo – und seine Frau Franca Rame – ist immer direkt, immer politisch und immer unterhaltsam.

Jetzt hat er in vielen Gesprächen mit Giuseppina Manin seine Autobiografie gestaltet.  Natürlich im Dialog wie auf der Bühne. Das ist seine Form. Da zeigt Dario Fo seine Schlagfertigkeit. In dem Buch lernt man viel über Theater, über Italien und über einen überzeugten Linken. Dario Fo hat Kapitalismuskritik schon immer mit Witz verbunden. In „Die Welt, wie ich sie sehe“ kommt noch ein Schuss Altersweisheit dazu. Und das ganz unaufdringlich.

Dario Fo: Die Welt wie ich sie sehe. Rotbuch. 19,90 EURO

Orhan Pamuk langweilt mit seinen Erinnerungen an Istanbul

Es gibt Bücher, die soll man lesen. Viele Kritiker behaupten das von Orhan Pamuks „Istanbul“. Es ist ja das erste Buch, das auf Deutsch erschienen ist, seit der Mann aus Istanbul Literaturnobelpreis-Träger ist. Aber wie im richtigen Leben, so ist es auch hier: Nicht alles, was man soll, ist auch sinnvoll.

Die knapp 400 Seiten hätten ohne Probleme auch auf 250 bis 300 gepasst. Die strenge Chronologie entlang Pamuks autobiografischen Verlaufs sorgt für stete Wiederholungen. Und mit Verlaub: Das langweilige Leben des wohlhabenden Orhan Pamuk ist auch kein Stoff für dicke Bücher. Insgesamt ist das schade. Denn Pamuk kann schreiben – und Istanbul ist eigentlich eine spannende Stadt.

Orhan Pamuk: ISTANBUL – ERINNERUNGEN AN EINE STADT. HANSER VERLAG. 25,90 EURO.

Die Tränen von Simplizissimus Günter Grass

Dass Günter Grass (78) bei der Waffen-SS war, weiß inzwischen jeder. Jetzt streitet sich die Öffentlichkeit darüber, ob sich Grass richtig erinnert hat. Doch diese Diskussion hat nichts mit dem autobiografischen Roman „Beim Häuten der Zwiebel“ zu tun. Der Literaturnobelpreisträger Günter Grass hat keine Autobiografie geschrieben. Auf den gesamten 480 Seiten spielen Zitate oder historische Quellen keine Rolle. Grass hat einen Lebensroman über sich selbst geschrieben.

So wie er das in der „Blechtrommel“ und dem Rest der „Danziger Trilogie“ auch schon getan hat. Nur diesmal hat die literarische Figur den Namen Günter Grass. Gerade am Beispiel des vierten Kapitels „Wie ich das Fürchten lernte“ zeigt sich sehr deutlich, in
welchem Maße der gesamte Text Literatur ist. Der Günter dieses Kapitels ist ein Wiedergänger der barocken Romanfigur Simplicius Simplizissimus. Genau wie dieser
bewegt sich Günter eher traumwandlerisch durch die Welt des Militärs und des Krieges.

Simplizissimus übersteht dank seiner Einfalt den 30-jährigen Krieg. Der junge Soldat der Waffen-SS, Günter Grass, stolpert durch die Abwehrschlacht von Spremberg 1945. Erst in der Gefangenschaft beginnt er zu denken. Ähnlich wie Simplizissimus treibt Günter dann auch durch das Nachkriegsdeutschland. Er übernimmt verschiedene Jobs in unterschiedlichen Regionen. Und so wie Simplizissimus nie mehr in den Spessart zurückkehrt, weil das der Krieg unmöglich machte, kann klein Günterchen nicht zurück
nach Danzig.

In der zweiten Hälfte dieses sprachlich-formalen Barock-Romans beginnt sich Günter zu bilden. Mit der Bildung wachsen die Zweifel am bisherigen Leben – auch diese Haltung nimmt Simplizissimus als Ich-Erzähler von Grimmelshausens Roman ein. Ob diese Form des Erinnerns und Offenbarens dunkler Stellen in der eigenen Biografie die moralisch
richtige ist, kann bezweifelt werden. Sicher aber ist, dass es Grass so schafft, eine für ihn angemessene Form zu finden. Da sich die Kritiker an Grass‘ spätem Bekenntnis nur mit Fakten auseinandersetzen, gehen sie dem Schelm Simplizissimus Günter auf den literarischen Leim. Denn durch die Kunst entzieht sich der Mensch Grass den Fakten, über die er dennoch Tränen vergießt.

GÜNTER GRASS: BEIM HÄUTEN DER ZWIEBEL. STEIDL. 24 EURO.

Günter Rössler blickt auf seinen Leben mit Fotos zurück

Günter Rössler ist vergangene Woche 80 geworden. Pünktlich zu diesem Jahrestag hat er seine Autobiografie vorgelgt. Wie es sich für einen Fotografen gehört, besteht sie vor allem aus Fotos, aber auch aus einigen Kapiteln Text.

Die Texte sind ganz nett, aber nicht wirklich überzeugend. Sie erzählen von einem Mann, der sich in der DDR mit all ihren Widrigkeiten etablierte. Richtig gut sind dagegen die Fotos. Vor allem jene, die er als Reporter im Ostblock gemacht hat. Seine Akte machten ihn berühmt. Sogar der „Playboy“ druckte seine Bilder junger DDR-Bürgerinnen.

Sein Blick ist nie voyeuristisch. Weil er nackte Frauen ausschließlich als natürliche
Schönheit inszeniert, sind seine Frauenbilder fast schon naiv – und klinisch rein.

Günter Rössler: MEIN LEBEN IN VIELEN AKTEN. DAS NEUE BERLIN. 24,90 EURO