Fast 900 Seiten hat die Neuübersetzung des Svejk. 900 Seiten Schelmenroman aus der Zeit des 1. Weltkriegs. Eine unglaubliche Fülle an Absurditäten aus der Welt der Habsburger Doppelmonarchie. Jaroslav Hasek, der freundliche Trinker aus Prag, hat in diesem Roman die Absurdität des Krieges und der Bürokratie beschrieben. Als subversiver Akt des Widerstandes gegen die österreichischen Herrscher und die Obrigkeitsgläubigkeit eines Apparates, der ohne Befehl und Gehorsam nicht auskommt, wohl aber ohne gesunden Menschenverstand.
Die Geschichten des braven Soldaten Svejk sind uns allen bekannt. Sie wurden verfilmt und sind immer wieder zitiert worden. Allerdings gab es im deutschen Sprachraum bisher nur verkürzte Ausgaben des Buches. Der Reclam-Verlag hat jetzt eine Fassung vorgelegt, die sämtliche Bestandteile des Manuskriptes berücksichtigt. Insofern ist der gute, alte Svejk mit knapp 100 Jahren noch etwas gewachsen. Als klassischer Schelm ist er es, der seinen Offizier, die Generalität oder auch das Beamtentum immer wieder vorführt. Das macht er nicht mit Absicht, sondern aus gutwilliger Einfältigkeit.
Als Leser kann man gar nicht anders, als sich mit dem einfachen Soldaten zu wundern. Die Fülle der Erlebnisse, die Svejk erlebt, haben allerdings oft ein ähnliches Muster. Bei aller Freude beim Lesen, kann sich bei dieser langen Fassung deshalb auch etwas Ermüdung einstellen. Denn da das Muster sich so ähnelt, kann die Aufmerksamkeit leiden. Für viele Svejk-Freunde mag das schon fast an Frevel grenzen, aber diese Ausgabe macht deutlich, dass der alkoholkranke Autor der Fülle seiner Ideen nicht immer gewachsen war. So wird die Lektüre auch zu einem Werkstatt- oder besser: Wirtschaftsbesuch bei Hasek.
Dennoch sind die Geschichten natürlich köstlich. Die Reise Svejks an die Ostfront im 1. Weltkrieg ist in all ihren Facetten lesenswert. Wir kommen an Schauplätze, die in unserer deutschen Erinnerung an diesen Massenvernichtungskrieg oftmals gar nicht bekannt sind. Schon allein das ist es wert, das Buch zu lesen. Außerdem vermittelt Hasek immer ein Gefühl davon, warum dieser Vielvölkerstaat auf jeden Fall scheitern musste. Sein satirischer Blick nimmt den Leser auch heute noch gefangen, obwohl der beschriebene Staat, die vorgeführte Armee und auch sonst alles, was damals Wert und Rang hatte, nunmehr seit fast 100 Jahren untergegangen sind.