Schreiben kann sie. Ideen hat sie. Geschichten, die erzählt werden wollen, hat sie ebenfalls. Und doch ist der zweite Roman von Olga Grjasnowa nicht wirklich überzeugend. Zu konstruiert wirkt die Geschichte. Und zu ambitioniert.
„Die juristische Unschärfe einer Ehe“ erzählt die Geschichte von Leyla, einer lesbischen Ballett-Tänzerin und Altay, einem schwulen Psychiater. Um ihre Neigungen leben zu können und die Familien in Baku ruhig zu stellen, heiraten beide und leben eine Scheinehe. Nach dem Umzug von Moskau nach Berlin, wo sie ihre Sexualität erstmals frei und ohne drohende Sanktionen ausleben können, lernen sie Jonoun kennen. Die Beziehung von Leyla und Jonoun erzeugt bei Altay Eifersucht. Und die führt zu Krisen. Überhaupt handelt das Buch hauptsächlich von Krisen. Von Leylas Krisen bei der Ausbildung zur Ballerina am Bolschoi in Moskau, von Altays Arbeit in einem Moskauer Krankenhaus, von den gescheiterten Ehen von Leylas Mutter und von den Krisen im Leben der Menschen in Baku. Krisen allerorten. Und doch der Versuch, glücklich zu werden oder wenigstens für einige Momente das Glück zu spüren.
Olga Grjasnowa ist in den Momenten wirklich in gut, in denen sie das Leben ihrer Geburtsstadt Baku und die Landschaften des Kaukasus schildert. Da macht sie den Leser neugierig, nimmt ihn mit in eine Welt, die faszinierend ist. Auch die Schilderungen von den Schindereien der Ballett-Ausbildung sind überzeugend. Doch was die Anziehungskraft zwischen Leyla und Jonoun ausmacht, bleibt im Ungefähren. Da prallen Menschen aufeinander, die völlig unterschiedlich sind, aber warum sie sich voneinander angezogen fühlen, ja weil sie sich irgendwie auch lieben, bleibt im Dunkeln. Genauso wie das Auseinandergleiten am Ende des Romans. Das ist nicht rund und lässt den Leser ratlos zurück.
Das ist schade, weil Olga Grjasnowa doch schreiben kann, weil in der Geschichte so viel steckt. Aber vielleicht ist das so bei einem zweiten Roman. Sie ist nicht die erste, die nach einem durchschlagenden Erfolg des Debüts beim zweiten Buch die Erwartungen nicht erfüllen kann. Das Buch ist irgendwie die erzählerische Unschärfe einer Ex-Dübetantin.