Die Missionarsstellung zählt ja nicht gerade zu den aufregendsten Möglichkeiten der Kopulation. Aber wenn sie mit Durchbrennen oder Fremdgehen verbunden ist, kann sich das wohl ändern. Und wenn Wolf Haas, der österreichische Autor, der vor allem für seinen Kommissar Brenner bekannt ist, darüber schreibt, dann klingt schon der Titel „Verteidigung der Missionarsstellung“ vor allem nach Ironie und doppeltem Boden.
Benjamin Lee Baumgartner verliebt sich unsterblich in London, als dort BSE ausbricht. Viele Jahre später verliebt er sich erneut unsterblich: in Peking als die Vogelgrippe um sich greift. Erzählt wird diese Geschichte der besonderen Koinzidenz zunächst aus der ganz klassischen Perspektive eines allwissenden Erzählers. Das ändert sich später. Dann erzählt der Protagonist die Geschichte und der Autor spielt eine wichtige Rolle. Und schließlich vermengen sich Ich-Erzähler, Protagonist und Autor. Und das alles ist kein Unvermögen des Autors Wolf Haas, sondern ein unglaublich faszinierendes und virtuoses Beherrsche des Erzählens.
Die Missionarsstellung spielt dabei eigentlich keine wichtige Rolle. Sie ist eher Haas‘ geschicktes Spiel mit Text und den Erwartungen von Lesern, so wie er es auch im gesamten Roman umsetzt. Wenn sich beim Leser eine Sicht auf die geschilderten Ereignisse verfestigt, ändert er die Perspektive und verblüfft ihn mit einer weiteren Möglichkeit, die ebenso plausibel ist. Dabei treibt er die Frage, was Ursache und Wirkung ist, auf die Spitze. Natürlich das hat Verlieben nicht mit dem Ausbruch von Seuchen zu tun. Aber für Baumgartner wird das immer plausibel. Bis es sogar beim dritten Verlieben so weit geht, dass er sich mit seinen Gefühlseskapaden für den Ausbruch von dramatischen Seuchen verantwortlich fühlt.
Was sich hier wie ein seltsames Spiel mit Formen, Perspektiven und theoretischen Fragen der Poetologie liest, ist das auch tatsächlich. Aber dennoch ist der Roman vor allem eine wunderbar verblüffende Geschichte, die mit ihren vielen Wendungen für eine große Lust am Weiter-Lesen-Wollen sorgt. Da die gelegten Fährten nicht ins Nirgendwo führen, sondern den Roman vorantreiben, geht das Spiel auch auf. oder anders gesagt: Wolf Haas ist ein Meister des Erzählens, ein Autor, der nicht nur schöne Geschichten erfindet, sondern diese auch fast schon dramatisch gut präsentieren kann. Ohne sich in den selbst gelegten Fallstricken zu verheddern.