„Heute bin ich noch Kroate. Morgen bin ich Europäer, der Kroatisch spricht.“ Der Mann schwankt. So wie die Boote und Schiffe, wenn die Bora die Adria aufwühlt, für deren Ausfahrten er im Hafen von Pula Touristen zu begeistern versucht. Jetzt aber nicht mehr. Am 30. Juni um 21.30 Uhr ist er nur noch auf Europa eingestellt – und feiert fröhlich mit einigen Bierchen die Aufnahme seines Kroatiens in die Europäische Union.
Ganz Pula scheint in der Innenstadt versammelt zu sein. Ob vor dem römischen Triumpfbogen oder auf dem Forum, an beiden Orten spielen Bands bei einem „Umsonst und Draußen“, oder quer durch die Gassen der Altstadt, überall sind die Menschen auf den Beinen. Und bei allen scheint nicht nur das Fest der Grund für die Freude zu sein, sondern auch der Anlass.
Pula/Pola, das noch immer eine italienische Minderheit beherbergt, ist nicht nur wegen der vielen Touristen international-europäisch. Hier, wo die staatliche Zugehörigkeit in den vergangenen 100 Jahren vier Pässe erforderte – Österreich, Italien, Jugoslawien, Kroatien – ist mit der Europäischen Union auch der Wunsch verbunden, endlich in eine jahrzehntelange Epoche des Friedens zu gelangen. Der letzte Krieg, der zwar nicht in Pula wütete, aber dennoch im Land Kroatien, ist schließlich erst knapp zwei Jahrzehnte her.
In der Stadt stößt man überall auch Zeugnisse der Vergangenheit, die mit Krieg und Kampf zu tun haben. Aber davon will an diesem Abend niemand etwas wissen. Heute wird Europa gefeiert – mit den gelben Euopasternen, die an die Wände projieziert werden – und um Mitternacht mit einer Lichtinstallation an der Fassade eines Hauses, dessen Läden verschlossen sind. Das Licht sorgt dafür, dass die aufgehen, dass Sterne aus ihnen kommen und dass die Fahnen aller Länder der EU aus ihnen wehen. Das ist beeindruckend und völlig kitschfrei. Und es ist viel schöner als ein Feuerwerk, nach dem alles nach Schwarzpulver stinkt – wie im Krieg, wie in der Schlacht, die Europa doch zum Glück überwunden hat.