Ein grüner Spitzenpolitiker bringt sich im Juli 2005 um. Kurz vor der realen Abwahl der Grünen. Lukas Hammerstein (47) hat mit „Video“ genau zum richtigen Zeitpunkt das Buch über eine Generation geschrieben, die nach dem Ende von Rot-Grün nicht mehr weiß, was eigentlich ihr Ziel war.
Piet Escher ist Jahrgang 1958. Er gehört also nicht zu den echten 68ern, sondern zur Generation der Nachgeborenen. Er studiert in Freiburg Jura und stürzt sich mit der Gründung der Grünen in die Politik. Von den Sitzblockaden in Mutlangen bis zum Fraktionschef im Bundestag beobachtet der Leser Piets Auf- und Ausstieg.
Der wird aus der Sicht seines besten Freundes geschildert. Das beginnt beim gemeinsamen Studium 1979, also zur Gründung der alternativen Partei. In der Folge gibt es immer wieder Beschreibungen von Piet, die für die Etablierung der gesamten Generation stehen. Bis eben 2005, als sich Piet aufgibt und umbringt.
Hammerstein entwirft ein sehr bitteres Porträt seiner eigenen Generation. Er selbst ist – wie Piets Freunde – auch Jahrgang 1958. Bei der Trauerfeier für Piet versammeln sich die ehemaligen Kommilitonen. Sie sind erfolgreich, haben keine Kinder. Ihr Leben haben sie in einer Mischung aus Hedonismus, Gier nach Erfolg und einem unklaren Kampf für Ideale verbraucht, die eigentlich schon von den 68ern formuliert wurden. Letztlich ist das auch der Grund, aus dem sich Piet umbringt.
Damit schließt sich die Klammer. Denn er folgt einer Mitstudentin, die sich schon 1979 das Leben nahm. Sie, weil ihr das Leben schon mit 20 zu viel wurde. Er, weil sein Drang zur Selbstdarstellung mit dem Ende von Rot-Grün keine Konjunktur mehr hat. Eine neue Form von Ernsthaftigkeit ist auch in der Partei gefragt. Eine Tugend, die Piet nur leben konnte, wenn sie seinem Lustgewinn entgegenkam. Hammersteins Blick ist gnadenlos. Der Text deshalb etwas zu abgehackt. Er erinnert an ein Drehbuch, das Piets letztes Video zu einem Spielfilm ausbauen könnte.
Lukas Hammerstein: Video. S. Fischer. 14,90 Euro