Unbeirrte Dickköpfe braucht die Welt. Menschen wie Jean Ziegler, der mit seinem unangepassten Denken nicht nur die Schweiz in Aufregung versetzte, sondern in der ganzen Welt Gehör fand. Jürg Wegelins Biografie des Schweizer Nationalrats, undogmatischen Marxisten, UNO-Sonderberichterstatter und Soziologen hätte kaum zu einem besseren Zeitpunkt erscheinen können als mitten in der aktuellen Finanzkrise. Denn Jean Ziegler hat sich mit den Schweizer Banken schon angelegt, als die Gründer von Attack gerade in die Grundschule gingen.
Er hat das Schweizer Bankgeheimnis angegriffen, weil Diktatoren und Kriminelle damit ihr Geld sichern konnten. Er hat Begriffe wie „Kasinokapitalismus“ geprägt, als der Euro noch lange nicht eingeführt war. Jürg Wegelin, Schweizer Journalist, hat sich nach einer Biografie des Swatch-Gründers Nicolas Hayeck den Rebellen Ziegler vorgenommen. Der stammt aus einem konservativen Elternhaus, orientierte sich im Umfeld von Jean-Paul Sartre in seinen Pariser Studienjahren immer weiter nach links und verzichtete dennoch nicht darauf, vom Protestantismus zum Katholizismus zu konvertieren. Schon in den 60er Jahren arbeitete er für die UNO im Kongo. Seitdem hat ihn Afrika und später die gesamte Dritte Welt nicht mehr losgelassen. Er war mit Jassir Arafat genauso bekannt wie mit Kofi Anan, mit Fidel Castro wie mit Muamar Gaddafi. Mit Elie Wiesel war er befreundet und Simone de Beauvoir hat die ersten französischen Aufsätze des Deutschschweizers in eine geschliffene Form gebracht. Das ist viel Stoff für ein spannendes Buch.
Aber Wegelin erzählt zu chronologisch und in Teilen zu oberflächlich. Zwar arbeitet er die Widersprüche Zieglers ganz gut heraus, aber das Buch bleibt seltsam farblos. Wegelin schafft es nicht, Begeisterung für diesen wunderbare Trotzkopf zu entflammen, der von Klagen seiner reichen und mächtigen Gegner so überzogen wurde, dass er trotz der hohen Einnahmen aus seinen mehr als 30 Büchern die Forderungen noch nicht alle begleichen konnte. Selbst das hat Ziegler nicht verzagen lassen, sondern ihn gestärkt weiterzumachen. Für die Hungernden in aller Welt ist das ein Segen. Denn in deren Namen kämpft er unverdrossen auch noch mit 80 gegen die Ungererchtigkeit der Welt.