Stefan Maiwalds lustiger Blick auf Italien

Stefan Maiwald: Laura, Leo Luca und ich
Stefan Maiwald: Laura, Leo Luca und ich

Klischees sollte man ja tunlichst vermeiden. Stefan Maiwald gelingt das nicht. Doch das macht den Reiz seines Büchleins über seine Beziehung mit seiner italienischen Frau – und damit mit deren Familie – so reizvoll. „Laura, Leo, Luca und ich“ ist ein leicht geschriebenes Tagebuch im Rückblick. Es erzählt, was dem ehemaligen Redakteur  des Playboy so alles passierte, als er die flüchtige Urlaubsbekanntschaft zu lieben lernt und endlich heiratet.

Seine Beobachtungen kann er mit der nötigen Distanz zu schnurrigen Anekdoten verdichten, die nichts von egomanischer Beziehungsliteratur an sich haben. Maiwald liebt nicht nur Laura. Er liebt auch die ganze Familie. Auch wenn sie ihm auf die Nerven geht.
Das ist herrlich!

Stefan Maiwald: LAURA, LEO, LUCA UND ICH. DTV. 8,90 EURO

 

Sheila Quigley brilliert mit „Lauf nach Hause“

Debüts sind häufig problematisch. Junge Autoren schreiben meist autobiografisch, was sie selbst schon erlebt haben – und oft ist das nicht viel. Anders bei Sheila Quigley. „Lauf nach Hause“ ist ein ungewöhnlicher Thriller, der von Quigleys Biografie profitiert, ohne zu dominieren.

Heldin Kerry ist 16 und will mithilfe des Sports der Armut und dem Suff der Mutter in Newcastle entgehen. Als ihre Schwester (13) entführt wird, macht sie sich auf die Suche nach ihr – und kommt den dunklen Seiten der Familie auf die Spur. Quigley hat die Armut selbst erlebt. Das macht das Buch authentisch.

Doch die vielen überraschenden Wendungen, mit denen die Leser gefesselt werden, fallen nur einer guten Autorin ein.

Sheila Quigley: Lauf nach Hause. dtv, 14 Euro

Sobo Swobodnik findet eine schöne Bescherung

Plotek ist eine Mischung aus Mankells Wallander und Anis Süden. Mit dem Ersten teilt er die Lust auf zu viele Biere. Mit dem Zweiten die Freude am Schweigen. Beides zusammen
zeugt nicht von allzu viel Geselligkeit. Dennoch hat dieser verkrachte Schauspieler von der
schwäbischen Alb auch seinen Charme.

Sobo Swobodnik hat Plotnik diesmal über Weihnachten auf Busreise nach Karlsbad geschickt. Doch statt sich gesund zu baden, sterben die Reisenden nach und nach weg. Das hat allerlei Unterhaltsames. Vor allem, weil Swobodnik so herrlich lakonisch von diesem Bus voll emotionalem Treibgut schreibt. Humor ist ihm wichtiger als Spannung. Und das
ist auch gut so. Denn das ist viel unterhaltsamer, als sich ständig zu gruseln.

Sobo Swobodnik: Schöne Bescherung. dtv, 14,00 EURO

Gilad Atzmons Satire bricht israelische Tabus

Wer seinen Lebensunterhalt als Jazzmusiker verdient, weiß ganz genau, wie man mit unkonventionellen Einfällen schockieren kann. Allerdings ist die Gemeinde der Jazzfans so klein und eingeweiht, dass sie diese Provokationen gern mit Applaus honoriert. Das große Publikum, das sich tatsächlich auch provozieren lassen könnte, straft die Jazzer mit konsequenter Ignoranz.

Ein provokanter Schelmenroman
Gilad Atzmon verdient sein Geld als Schlagzeuger in der Londoner Jazz-Szene. Die Lust an der Provokation lebt er in seinem ersten Roman so richtig aus. Sein
Schelmenroman „Anleitung für Zweifelnde“ ist ein Generalangriff auf die israelische Gesellschaft der Gegenwart. Sämtliche Tabus Israels verletzt Atzmon mit einer Wucht, die den Leser manchmal erschauern lässt. Doch das Ergebnis ist nicht nur erheiternd, es ist so richtig erhellend.

Distanzierter Blick auf Israel
Gunther Wanker ist der obskure Schelm von Gilad Atzmon. Er ist ein Israeli deutscher Abstammung, der recht bald erkennt, dass die Politik der Besatzung und Unterdrückung der Palästinenser den inneren Verfall der israelischen Gesellschaft befördert. Wo Freiheit und Selbstbestimmung einst die zionistischen Einwanderer beflügelte, herrscht jetzt nur Angst und der Wille zur Unterdrückung der Palästinenser. Wanker blickt aus dem Jahr 2032 auf die Geschichte seines Lebens und seines Volkes zurück. Beides mit großer Distanz.

Erkenntnisse aus der Peepshow
Denn Wanker ist der Begründer der Peepologie. Einer Wissenschaft, die ihre Erkenntnis in der Peepshow gewann. Wanker nimmt das Guckloch des Voyeurs als Erkenntnisquelle. So wie der Voyeur immer nur das Ziel seines Verlangens außer Griffweite sehen kann, so kann das israelische Volk seinen Wunsch nach Frieden auch immer nur in der Vorstellung sehen.  In der Wirklichkeit verhindert der Blick auf einen möglichen Frieden den echten, weil der Blick durch den Sehschlitz vor allem die eigene Vorstellung transportiert, nicht aber die des Partners, mit dem dieser Frieden geschlossen werden müsste.

Satirische Attacke bringt Erleuchtung
Atzmon attackiert mit der Handlung und dem Stoff seines Romans also das Selbstverständnis der israelischen Gesellschaft. Doch wie bei jeder guten Satire, ist das nicht zersetzend. Dieser Vorwurf kommt immer von denen, die aus den gerade aktuellen Zuständen Gewinne ziehen. Diese Satire ist eine prickelnde Erleuchtung – nicht nur über Israel. Auch über die kulturellen Verwerfungen der eigenen Gesellschaft.

„Anleitung für Zweifelnde“ von Gilad Atzmon ist bei dtv erschienen. Das Buch hat 180 Seiten und kostet 12,50 Euro.