Der Mauerfall und die friedliche Revolution in der DDR jähren sich in diesem Jahr zum 25. Mal. Einer der Akteure in Frankfurt (Oder) war Karl-Ludwig von Klitzing. Schon am 1. November 1989, also acht Tage vor dem Mauerfall, forderte er vor 35.000 Demonstranten auf dem Frankfurter Brunnenplatz: „Wir brauchen eine vollkommene Demokratisierung, Reisefreiheit, Rede- und Pressefreiheit.“ Von Klitzing war Arzt und hat jetzt ein Erinnerungsbuch geschrieben.
Oftmals ist das fast schon ein Grund, das Buch nicht zu lesen. Es gibt zu viele Memoiren und Erinnerungen, die viel zu lang und zu schwerfällig sind. Von Klitzings Buch ist aber eine wohltuende Ausnahme. Es hat nur gut 150 Seiten. Wer sich so auf das Wesentliche konzentriert, macht schon vieles richtig.
„Atemlos – Erlebnisse eines Brandenburger Mediziners“ ist eine Sammlung von biografischen Erzählungen, die jeweils einen ganz speziellen Fall aus seinem Leben als Arzt in den Mittelpunkt stellen. Da von Klitzing offenbar immer die Menschen hinter der Krankenakte verstehen und kennenlernen wollte, liefert er über diesen Trick vor allem Geschichten aus der DDR, aus dem Leben in der DDR – und darüber, was die Menschen in der DDR krank machte.
Gewissermaßen diagnostiziert von Klitzing also die DDR. Er schreibt auch explizit das Wort „Morbus DDR“, Krankheit DDR. In der entsprechenden Erzählung geht es um einen Alkoholiker, der in Bautzen inhaftiert war, weil er nicht mit der Stasi zusammenarbeiten wollte. Zuvor durfte er schon nicht studieren, weil er sich der Stasi verweigert hatte. Von Klitzing beschreibt den Fall, nähert sich dem Menschen, ohne ihn sympathischer zu zeichnen, als er in seiner Erinnerung ist. Aber dennoch mit großer Empathie für seinen Mitmenschen. Dabei zeigt er am Beispiel, wie der Staat mit seinen Repressionen Depressionen verursachen konnte. Von Klitzing macht das alles sehr dezent. Er schreibt zwar in der Ich-Perspektive, stellt sich aber nicht ins Zentrum der Erzählungen.
Alles in allem ist der kleine Band ein erstaunliches Buch. Voller Intelligenz und literarischem Vermögen.