Diese Genauigkeit verursacht beim Lesen fast schon Schmerzen. Jedes Detail beschreibt James Agee in seinem Reportageprojekt aus den Südstaaten ganz genau. Da wird nichts übersehen, keine Geruch ignoriert, kein Klang vernachlässigt und kein Geschmack vergessen. 1936, im Sommer, lebte Agee zusammen mit dem Fotografen Walker Evans, bei armen Baumwollbauern in Alabama und Oklahoma. Die Hochphase der großen Depression hatte dramatische Auswirkungen auf die Baumwollwirtschaft. Genau die sollten die beiden recherchieren.
Kaum zu glauben, dass beide nur vier Wochen mit einer von drei Familien zusammenlebten, die in dem Buch beschrieben werden. Mehr als 400 Seiten hat Agee über diesen Zeitraum geschrieben, Evans lieferte knapp 80 Seiten Fotos dazu. Sie zeigen die bittere Armut der Familien, den Versuch, in dieser Armut die Würde nicht zu verlieren. Und sie dokumentieren, wie sich diese Armut auf die Gesundheit der Kinder, Frauen und Männer auswirkt. James Agee liefert zu diesen eingefrorenen Augenblicken nicht die Beschreibungen, sondern einen Text, der aus journalistischem Blick Literatur schafft.
Das Modewort Empathie trifft in diesem Fall die Haltung des Autors genau. Denn James Agee und Walker Evans erkennen das Wesen der Menschen, die sie begleiten. Agees ökonomisches Wissen bildet den Rahmen, in den das Leben der Familien eingeordnet wird. Etwa wenn die Produktion und die Arbeitsbedingungen in einem Sägewerk genau beschrieben werden. Und dabei klar wird, wer wen ausbeutet, dass Selbständigkeit auch eine Form von Ausbeutung sein kann. Genau diese soziale Dimension nehmen die Autoren in den Blick. Auch wenn sie mit ihnen Frühstücken oder zum Gottesdienst begleiten.
Allerdings fordern die Genauigkeit der Beschreibungen und die ökonomischen Exkurse auch die Geduld des Lesers. Nicht jede Begebenheit ist es wert, auch fast 80 Jahre nach der Entstehung des Textes noch so ausführlich gelesen zu werden. Denn die Exaktheit macht das Buch auch sperrig.
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