Sämtliche Geheimnisse um Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen können auch Heiner Boehncke und Hans Sarkowicz nicht lüften. Aber was die beiden in ihrer Biografie über den Verfasser des Simplizissimus alles zusammentragen konnten, das ist wirklich erstaunlich. Denn etliches ist tatsächlich neu – und das andere hervorragend arrangiert und zu einem Lebensroman des Soldaten, Dorfschulzen, Regimentsschreiber und erstaunlichsten deutschen Schriftstellers zusammengefügt.
Lange Zeit war über das Leben Grimmelshausens nur wenig bekannt. Viele Literaturwissenschaftler versuchten aus dem Lebenslauf des Simplizissimus den von dessen Autor zu rekonstruieren. Doch das stößt schnell an Grenzen. Die Boehncke und Sarkowicz tun das zwar auch, doch sie haben sich auch die Mühe gemacht, nach neuen Quellen zu suchen. Außerdem klopfen sie die neueste Forschung genau ab. Daraus entwickeln sie einen schillernden, außergewöhnlich abwechslungsreichen und immer wieder verblüffenden Werdegang eines Gelnhausener Bäckerjungen, der im Dreißigjährigen Krieg beim Sturm der Stadt wohl die Eltern verliert, zum Onkel nach Hanau flieht und von dort mit anderen Kindern von Soldaten entführt wird.
Dann wird dieser Grimmelshausen, der wohl in Gelnhausen die Lateinschule besuchte, Regimentsschreiber und später über diese Station dann Schaffner (Amtsvorsteher) und Schultheiß (Verwalter). Nebenbei und zwischendurch ist Grimmelshausen auch Wirt. Ach ja – der vielfache Vater ist natürlich auch noch Leser und Autor. Und das, ohne in einer der literarischen Gesellschaften seiner Zeit Mitglied zu sein. Denn die war Autodidakten und Nicht-Akademikern versagt. Umso erstaunlicher ist es, was Grimmelshausen geleistet hat.
Dieser Lebenslauf ist so ungewöhnlich und die Rekonstruktion durch die beiden Autoren so kurzweilig, dass sich die 500 Seiten gut lesen lassen. Je mehr Grimmelshausen man gelesen hat, umso erhellender sind die Zusammenhänge. Aber auch für jene, die sich noch nicht an den Simplizissimus, die Courage, den Springinsfeld oder die den Musquetier und den Kaufmann des „wunderbarlichen Vogelsnests“ gewagt haben, ist das Buch ein großer Gewinn.
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Vielen Dank für den Tipp. Ich habe mich kürzlich an Grimmelshausen erinnert und dachte mir, dass ich über ihn mal mehr erfahren und lesen müsste. Der Tipp kommt also gerade zur rechten Zeit. Ich bin auf diese Epoche und den Dreißigjährigen Krieg über die sehr sehenswerte und besuchenswerte Ausstellung „1636 – ihre letzte Schlacht“, die die geschätzte Blogkollegin Frau Richensa für das Brandenburgische Landesmuseum in Brandenburg/Havel mitkonzipiert hat, auf das Thema gekommen: http://www.1636.de/ Meine Impressionen und meinen Senf dazu gibt’s ansonsten bei mir zu Hause.
(Seufz, die Tage bräuchten 36 Stunden, damit ich mich mit allem beschäftigen kann, was mich noch interessiert.)
Ein herzliches Danke für den schönen Kommentar. Ich würde mich freuen, wenn wir nach der Lektüre ins Gespräch kämen. Gelegenheiten dürften sich ja finden lassen.
Viele Grüße, Andreas Oppermann