Jussi Adler Olsen hat am Ende Erbarmen

Jussi Adler Olson: Erbramen
Jussi Adler Olson: Erbramen

Seit Monaten ist dieser Krimi in den Bestsellerlisten ganz oben: „Erbarmen“ von Jussi Adler Olsen. Der dänische Kommissar Carl MØrck hat das Zeug, ein würdiger und vor allem erfolgreicher Nachfolger von Henning Mankells Wallander zu werden.

Carl MØrck soll eigentlich gar nicht mehr ermitteln. Nach einem verpatzten Einsatz, bei dem ein Kollege stirbt und sein bester Freund nur mit Querschnittlähmung überlebt, ist er ein Wrack. Seine Chefs wollen ihn abschieben und gründen das Sonderderzernat Q, das sich mit nie aufgeklärten Fällen befassen soll. Der erste handelt vom Verschwinden eine jungen Politikerin vor fünf Jahren.

Carl MØrck will zunächst nicht richtig ermitteln, doch sein Instinkt lässt ihn nicht ruhen. Er nimmt die Fährte auf, lernt seinen Gehilfen, einen Migranten aus Syrien mit dem absurden Namen Hafis Assad, an. Aus Olsens Laboraufstellung entwickelt der Däne einen beklemmenden Roman, der mehr ist als nur ein spannender Krimi. Olson nutzt das Genre für einen Gesellschaftsroman, der Kriminalität in ihren unterschiedlichen Dimensionen und Ausprägungen thematisiert.

Natürlich ist die die Figur des Kommissars gebrochen. Selbstverständlich ist er kein großer Sympathieträger. Und dennoch entwickelt der Leser sehr bald Verständnis, später sogar Respekt vor der Figur. Und wenn Olson so weiter macht, kann daraus sicher einmal echte Zuneigung werden.

MOZ-Rezension…

Falsches Spiel

Gianrico Carofiglio: „Die Vergangenheit ist ein gefährliches Land"
Gianrico Carofiglio: „Die Vergangenheit ist ein gefährliches Land"

Seine Krimis sind Bestseller. Jetzt hat der italienische Autor Gianrico Carofiglio seinen ersten Roman vorgelegt. Auch in ihm widmet er sich dem schmalen Grat zwischen Gut und Böse.

Giorgio Cipriani lernt während seines Studiums einen jungen Mann kennen, zu dem er sich wegen dessen Fähigkeit, die Umwelt zu manipulieren, hingezogen fühlt. Francesco lehrt Giorgio das Falschspielen. Bei Pokerrunden zocken sie ihre Gegner gemeinsam ab. Das Geld und die Macht über die Mitspieler entfremden Guido von seinem bisherigen Leben. Carofiglio gelingt es, einen unwiderstehlichen Sog aufzubauen, der den Leser in diesen Strudel der Persönlichkeitsveränderung hineinzieht. Jede Überlegung, die Guido anstellt, ist für sich plausibel. In der Summe stürzen sie ihn in eine Katastrophe, die er kommen sieht, der er sich aber nicht entziehen kann. Das ist spannend, verstörend und packend.

Gianrico Carofiglio: „Die Vergangenheit ist ein gefährliches Land“, Goldmann, München 2009, 288 S., 19,95 Euro

Andrea Camilleri schickt Commissario Montalbano in den schwarzen Sommer

Andrea Camilleri: Die schwarze Seele des Sommers
Andrea Camilleri: Die schwarze Seele des Sommers

Andrea Camilleri schickt Commissario Montalbano in einen neuen Mord, der lange zurückliegt, und in einen Kampf mit sich. Die junge Frau, deren Leiche er in einer geheimen Wohnung unter der Ferienwohnung seiner Freunde findet, hat eine Zwillingsschwester. Die ist hübsch, strahlt mit jeder Geste, mit jedem Wort Erotik aus. Und sie ist an Montalbano mit seinen 55 Jahren interessiert.

Camilleri konstruiert einen netten Fall, der ein bisschen Mafia, etwas unorthodoxe Ermittlungsmethoden und viel schrulligen Montalbano enthält. Der Commissario ist stark genug, die Schwächen der Krimi-Handlung auszugleichen. Aber dennoch wirkt der neue Camilleri, als könnte Montalbano bald in Rente gehen.

Andrea Camilleri: Die schwarze Seele des Sommers. Lübbe 19,95 EURO

Andrea Camilleri

Andrea Camilleri schickt Commissario Montalbano in einen neuen Mord, der lange zurückliegt, und in einen Kampf mit sich. Die junge Frau, deren Leiche er in einer geheimen Wohnung unter der Ferienwohnung seiner Freunde findet, hat eine Zwillingsschwester. Die ist hübsch, strahlt mit jeder Geste, mit jedem Wort Erotik aus. Und sie ist an Montalbano mit seinen 55 Jahren interessiert.

Camilleri konstruiert einen netten Fall, der ein bisschen Mafia, etwas unorthodoxe Ermittlungsmethoden und viel schrulligen Montalbano enthält. Der Commissario ist stark genug, die Schwächen der Krimi-Handlung auszugleichen. Aber dennoch wirkt der neue Camilleri, als könnte Montalbano bald in Rente gehen.

Andrea Camilleri: DIE SCHWARZE SEELE DES SOMMERS. LÜBBE. 19,95 EURO

Der Pole Marek Krajewski entdeckt das deutsche Breslau

Breslau kurz nach Ende des Ersten Weltkrieges. Eine unheimliche Mordserie erschüttert die Stadt. Und Eberhard Mock von der Mordkommission. Denn offensichtlich werden nur Menschen ermordet, mit denen er in Kontakt kommt.

Ein Pole aus Breslau (Wroclaw) ist der Autor dieses packenden Krimis. Marek Krajewski (41) lässt die deutsche Stadt, die Hauptstadt Niederschlesiens, wieder aufleben. Er hat sich über alte Stadtpläne gemacht, die Strukturen der deutschen Stadtverwaltung und der preußischen Polizei genau studiert und sich einen Kommissar einfallen lassen, wie er nur direkt nach dem Ersten Weltkrieg denkbar ist.

Eberhard Mock hat sich seinen eigenen Kosmos in Breslau aufgebaut. Er kann mit der Unterwelt und ist dennoch ein leidenschaftlicher Polizist. Vier Matrosen werden tot aufgefunden. Ihre Knochen sind gebrochen, damit sie zu einer perversen Skulptur geformt werden konnten. Denn das einzige, was sie anhaben, sind lederne Lendenschurze.

Der Fall nimmt Mock sehr mit. Sein Freund, ein Arzt, ist der einzige Mensch, mit dem er reden kann. Vor allem, als deutlich wird, dass sämtliche Mordopfer, die dananch gefunden werden, mit Mock in Zusammenhang stehen. Das Sittenbild, das Krajewski zeichnet, ist nicht gerade schmeichelhaft. Aber für das Jahr 1919, als der verlorene
Erste Weltkrieg noch nicht verkraftet ist, als die Monarchie gestürzt, die Demokratie aber noch lange nicht etabliert ist, ist dieses Bild stimmig.

Auch die Handlung ist nachvollziehbar. Die Motive leuchten ein. Doch der Erzählstil macht  es dem Leser zunächst nicht leicht, ins Breslau von 1919 einzutauchen. Aber wer die ersten 50 Seiten gelesen hat, will dann doch wissen, wie der Fall ausgeht. Vor allem, weil es schon ziemlich lange dauert, bis sich die ersten Ahnungen, wer denn der Täter sein könnte,
verfestigen.

Ein spannender Krimi also, der vor allem von seinem Lokalkolorit lebt. Dass der von einem Polen geschrieben ist, macht das Buch noch interessanter. Denn immerhin war Breslau bis 1945 eine fast vollständig deutsche Stadt. Im Rahmen der Grenzverschiebung Polens nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es von Polen besiedelt. Und jetzt eignet sich ein Pole
die deutsche Geschichte Breslaus als die eigene an. Das ist mehr als reizvoll.

MAREK KRAJEWSKI: GESPENSTER IN BRESLAU. DTV, 14,50 €.

Peter Paul Zahl lässt Kommissare kiffen

Peter Paul Zahl: Miss Mary Huana
Peter Paul Zahl: Miss Mary Huana

Peter-Paul Zahl wollte einst über jede der 14 Provinzen Jamaikas einen Krimi schreiben. Doch leider ist ihm die Puste ausgegangen. „Teufelsdroge Cannabis“ ist jetzt neu erschienen unter dem Titel „Miss Mary Huana“. Auf der einen Seite ist das schade, weil er statt neuem Stoff alten aufgemöbelt hat.

Auf der einen Seite ist das schade, weil er statt neuem Stoff alten aufgemöbelt hat. Auf der anderen lässt das hoffen: Neuer Verlag, neues Glück? Denn die Krimis um einen Bullen und einen Ex-Bullen, der sein Rasta-Leben mit vielen Kindern genießt, sind gut. Das beweist auch diese Neuauflage. Dennoch wäre es fein, wenn sich der auf Jamaika lebende Zahl mit den Problemen des Landes in der Gegenwart auseinandersetzen würde. Doch als Einstiegsdroge taugt Miss Mary Huana schon mal.

PETER PAUL ZAHL: MISS MARY HUANA. EDITION KÖLN, 15,90 EURO.

Sobo Swobodnik findet eine schöne Bescherung

Plotek ist eine Mischung aus Mankells Wallander und Anis Süden. Mit dem Ersten teilt er die Lust auf zu viele Biere. Mit dem Zweiten die Freude am Schweigen. Beides zusammen
zeugt nicht von allzu viel Geselligkeit. Dennoch hat dieser verkrachte Schauspieler von der
schwäbischen Alb auch seinen Charme.

Sobo Swobodnik hat Plotnik diesmal über Weihnachten auf Busreise nach Karlsbad geschickt. Doch statt sich gesund zu baden, sterben die Reisenden nach und nach weg. Das hat allerlei Unterhaltsames. Vor allem, weil Swobodnik so herrlich lakonisch von diesem Bus voll emotionalem Treibgut schreibt. Humor ist ihm wichtiger als Spannung. Und das
ist auch gut so. Denn das ist viel unterhaltsamer, als sich ständig zu gruseln.

Sobo Swobodnik: Schöne Bescherung. dtv, 14,00 EURO