Sven Regener lässt Herrn Lehmann keine Ruh

Sven Regener: Wiener StraßeDieser Humor läuft sich nicht tot. Wer schon nach „Herr Lehmann“ dachte, so etwas amüsantes lässt sich nicht fortsetzen, wurde schon mit „Neue Vahr Süd“ eines besseren gelehrt. „Der kleine Bruder“ war auch köstlich. Und jetzt das: „Wiener Straße“. Ein Roman über die Zeit, die zwischen Herrn Lehmanns Zeit in Bremen und Ende der 1980er-Jahre liegt.

Sven Regener hat sich seine Helden noch einmal angeschaut und überlegt, was sie so in der Zeit dazwischen getrieben haben könnten. Wir erleben sie in der Wiener Straße, natürlich in Kreuzberg, wo Herr Lehmann und Chrissie eine WG mit Karl Schmidt und H.R.Ledigt begründen wollen. Und auf der Suche nach Geld sind. Herr Lehmann putzt dafür. Chrissie will unbedingt bei Onkel Erwin Kächele in der Kneipe bedienen. Karl Schmidt tut das schon und will das verhindern. H.R.Ledigt widmet sich seiner Kunst. Im November 1980 rücken sie in die Wohnung über dem Café ein – und sehen nichts. Denn die Wohnung ist vollkommen schwarz gestrichen. Der Vormieter war wohl lichtscheu. Die Nachmieter aber sind eher arbeitsscheu.

Neu entdeckter Klassiker aus den USA: Sister Carrie

Theodore Dreiser: Sister CarrieIlija Trojanow hat recht: „Sister Carrie ist kein Meisterwerk im üblichen Sinn, sondern ein roher Diamant.“ Das schreibt der Schriftsteller in seinem Nachwort über den erstmals in der vollen Länge in Deutsch erschienen Roman von Theodore Dreiser. Die Geschichte einer jungen Frau, die bettelarm vom Land ins wachsende Chicago kommt, um hier Fuß zu fassen, nimmt Geschlechterrollen und Moral in den Blick, ohne zu verurteilen. Vielmehr ist Dreiser bereit, das Handeln seiner Figuren zu akzeptieren und zu verstehen. Als Autor musste er dafür einen hohen Preis zahlen: Der Roman wurde nur gekürzt und geglättet veröffentlicht.

„Und erlöse mich“: Das verstörende Debüt von Konstantin Sacher

Dieser Roman verstört. Seine drastische Sprache, seine expliziten Szenen, seine Spannung zwischen Egoismus und Glaube – all das ist stark. Aber „Und erlöse mich“ von Konstantin Sacher nervt auch. Die Lebensbeichte eines jungen Theologie-Studenten, der sich selbst zwischen Exzess, Sex und Suff sucht, berührt den Leser aber auf jeden Fall; egal ob sich mit dem Protagonisten identifizieren können oder nicht.

Innen- und Aussichten im Cottbuser Kunstmuseum Dieselkraftwerk

Das Schöne am Cottbuser Kunstmuseum Dieselkraftwerk ist natürlich die ausgestellte Kunst. Aber noch viel mehr ist es die Architektur dieses ungewöhnlichen Ausstellungsgebäudes. Bei der Sanierung wurde auf ganz viele Details geachtet. Viele Elemente erinnern an Schiffbau. Das Treppenhaus, das wie ein Bug Richtung Amtsteich im Goethe-Park. Selbst das Treppengeländer ist wie eine Reling gestaltet. So schuf der Architekt Werner Issel den Raum für die beiden Schiffsmotoren, die hier Strom erzeugen sollten. Ohne diese Motoren ist er ein außergewöhnlicher Ort zur Präsentation von Kunst. Nicht nur wegen der stets wechselnden Ausstellungen lohnt es sich also, immer wieder im DKW vorbeizukommen.

Fliesen im Cottbuser Kunstmuseum Dieselkraftwerk

Der erschütternde Euthanasie-Roman von Barbara Zoecke

Dieses Buch ist die vielleicht erstaunlichste Neuerscheinung des Jahres: „Die Stunde der Spezialisten“ von Barbara Zoeke. Da ist zum einen die unglaublich klare Sprache. Da ist das kunstvolle Weben des Erzählungsgeflechts. Und da ist eine Geschichte, die den Leser emotional so mitnimmt, dass selbst Tränen fließen. Barbara Zoeke hat einen Roman geschrieben, der es schafft, ohne Kitsch, ohne Oberflächlichkeit, ohne jede Übertreibung auskommt. Vielmehr ist es die gekonnte Zurückhaltung, die dem Leser in manchem Moment fast den Atem raubt.