Der Tannhäuser von Sasha Waltz überwältigt

(Foto: Staatsoper/(c) Bernd Uhlig)
Venus verführt Tannhäuser in ihrer Liebeshöhle. (Foto: Staatsoper/(c) Bernd Uhlig)

Am Anfang ist dieser Trichter. Ein weißer Trichter und sonst nichts. Nur die wunderbar zarten Töne der Tannhäuser-Ouvertüre sind noch im Raum. Aber der Blick ist auf diesen Trichter gerichtet, der an das Innere eines Auges erinnert. Was aber ist hinter der Öffnung? Doch diese Frage stellt sich nicht lange. Dann beginnt sich der Trichter zu füllen. Und zu beleben mit (fast) nackten Leibern, die sich anzüglich und lüstern bewegen. Das hier ist die Liebeshöhle, in der Venus die Lust lebt. In der Tannhäuser sieben Jahre die Wonnen der leiblichen Liebe (er)lebt. Die Ouvertüre wird bei Sasha Waltz schon ein ganz besonderer Tanz voller Bezüge und Andeutungen, die in den folgenden fast vier Stunden immer wieder in Erinnerung gerufen werden.

(Foto: Staatsoper/(c) Bernd Uhlig)
Elisabeth von Thüringen sehnt sich nach Tannhäuser. (Foto: Staatsoper/(c) Bernd Uhlig)

Nach diesem Vorspiel ist es absolut verständlich, dass Tannhäuser – großartig interpretiert von Burkhard Fritz – seine Probleme hat, in der Normalität des Thüringer Hofes wieder anzukommen. An ihm ist alles streng geordnet, so wie seine räumliche Beschränkung durch herabhängende Bambusstämme. Wo in der Liebeshöhle alles rund und nicht endend ist, wirkt bei Hofe alles begrenzt und beschränkt.  Hier sehnt sich Elisabeth nach Tannhäuser. Hier findet der Sängerkrieg statt. Hier wird derjenige, der sich dem Starren verweigert, verbannt.

(Foto: Staatsoper/(c) Bernd Uhlig)
Das Sängerkrieg auf der Wartburg steht kurz bevor. (Foto: Staatsoper/(c) Bernd Uhlig)

Die vom Tanztheater geprägte Optik Sasha Waltz‘ und Pia Maier Schrivers überzeugt durch ihre Beschränkung. Da sich Sasha Waltz nicht nur auf den hervorragenden Staatsopernchor unter Martin Wright verlassen muss, wenn sie Bewegung in die Massen auf der Bühne bringen will, sondern auch auf Tänzerinnen und Tänzer, sind die Bewegungen auf der Bühne immer passend zur Musik Richard Wagners. Zwar würde auch die Choreografie des Chores schon genügen, aber die professionellen Tänzer bringen eine ganz besondere Spannung in die Aufführung – und das nicht nur in der Venushöhle, sondern auch beim Sängerstreit und als Pilger bei der Rückkehr aus Rom.

Die Venushöhle im Tannhäuser der Staatsoper Berlin (Foto: Staatsoper/(c) Bernd Uhlig)
Der Tannhäuser an der Staatsoper Berlin lebt von der Bildsprache der Regisseurin Sasha Waltz – hier die Venushöhle. (Foto: Staatsoper/(c) Bernd Uhlig)

Aber ohne die kraftvolle Interpretation der Musik Wagners durch Simone Young, die im Schillertheater mit der Staatskapelle Berlin eine erstaunliche Dynamik erzeugt, wären auch die schönen Bilder und Bewegungen nichts. Und ohne die überzeugenden Solisten René Pape (Landgraf Hermann), Wolfgang Koch (Wolfram von Eschenbach), Anne Schwanewilms (Elisabeth) und Marina Prudenskaya (Venus). Sie alle werden auch vom Publikum mit begeisterten Applaus bedacht. Am meisten aber bekommen die Chorsänger und Simone Young. Und das zurecht.

Im Vergleich zum Tannhäuser in der Deutschen Oper, bietet die Staatsoper die eindeutig schlüssigere uns ansprechendere an. Statt starrer Rüstungen sehen die Zuschauer eine Oper voller fließender Bewegung und sich logisch erschließenden Gedankenwelt.

Mehr über Richard Wagner:
– Mnozil Brass bläst Wagner aufs Zwerchfell
– Parsifal in der Deutschen Oper besticht durch opulente Optik
– Deutsche Oper macht aus Tannhäuser ein Rüstungs-Spektakel
– „Die Meistersinger von Nürnberg“ in der Staatsoper
– Der Rienzi der Deutschen Oper besticht durch Optik
– Der Tannhäuser von Sasha Waltz überwältigt
– 
Der düstere Parsifal der Staatsoper