Ilija Trojanow erzählt von der Gegend, in der Orpheus begraben liegt

Ilija Trojanow: Wo Orpheus begraben liegt
Ilija Trojanow: Wo Orpheus begraben liegt

Wenn bei „Quizduell“ oder Günther Jauch nach dem Rhodopengebirge gefragt würde, dann müssten wir fast alle passen. Wer kennt diese Landschaft Europas schon? Und wer hat sie schon besucht? Obwohl das Gebirge nicht weit weg vom nördlichen Rand der Ägäis liegt, kommt dort kaum einer hin. Es liegt in Bulgarien – und damit trotz EU-Mitgliedschaft vollständig außerhalb der Welt Europas.

Endlich Winter – heute am Krossinsee


Endlich ist das Schmuddelwetter vorbei. Eisige, klare Luft bei minus neun Grad, Sonnenschein und Schnee. Kurz: Winter! Der Kossinsee ist schon mit einer vollständigen Eisdecke bedeckt. Die Besitzer des Ausflugsschiffs und der Yacht hatten wohl nicht mehr daran geglaubt, dass wirklich Winter einziehen könnte. Etwas verloren liegen sie im Eis. Ganz still und friedlich. So wie diese Winterstimmung offenbar befriedend wirkt. Die Stimmen der Spaziergänger sind leise. Selbst die Schwäne singen fast flüsternd. Ruhe liegt über dem See. Und eine wohltuende Entspannung. Endlich Winter.

Alex Capus reist durch die Geisterstädte des Wilden Westens

Alex Capus: Skidoo - Meine Reise durch die Geisterstädte des Wilden Westens
Alex Capus: Skidoo – Meine Reise durch die Geisterstädte des Wilden Westens

Alex Capus schreibt ja immer auf der Grenze von Realität und Fiktion. Wobei die Realität bei ihm immer die Überhand behält. In dem schmalen Band „Skidoo – Meine Reise durch die Geisterstädte des Wilden Westens“ dominiert die Wirklichkeit ganz deutlich. Aber auch die kurzen Texte über teils verlassene, teils völlig untergegangene Städte in Nevada und anderen Bundesstaaten des Westens der USA changieren in einem (halb-)dokumentarischen Stil. Denn Alex Capus beschreibt tatsächlich, was er erlebt hat. Aber eben nicht nur das.

Jonas Jonasson kann von der Atombombe nicht lassen

Jonas Jonasson: Die Analphabetin, die rechnen konnte
Jonas Jonasson: Die Analphabetin, die rechnen konnte

Eine Analphabetin aus Soweto steht in Jonas Jonassons neuem Roman im Mittelpunkt – und eine südafrikanische Atombombe. Die es ohne Nombeko gar nicht geben würde. Denn sie ist es, die so gut rechnen kann, dass der südafrikanische Ingenieur, der für den Bombenbau verantwortlich ist, trotz der Unmengen Schnaps, die er säuft, seinen Job erledigt. Jonas Jonasson hat auch in seinem zweiten Roman wieder eine Hauptfigur erfunden, die einen ungläubig den Kopf schütteln lässt – und die man dennoch aufgeregt und mitfühlend durch ihr turbulentes Leben mit der Bombe begleitet.

Sonnabendabend in Eisenhüttenstadt

Der Regen macht es wahrscheinlich noch schlimmer. Es sind kaum Menschen auf den Straßen, einige Lokale sind gefüllt, aber im Großen und Ganzen ist die Stadt sehr leer. Die schön restaurierten Häuser der DDR-Musterstadt sind in schönes Licht getaucht. Aber selbst das warme Licht sorgt nicht wirklich für Wärme.

Sören Bollmann macht Frankfurt und Slubice zur Krimi-Stadt

Sören Bollmann: Mord inder halben Stadt
Sören Bollmann: Mord inder halben Stadt

Mord in der halben Stadt“ heißt der Debüt-Krimi von Sören Bollmann. Er schildert den ersten Mordfall des Frankfurter Kommissars Bernd Matuszek und seines Slubicer Kollegen Wojtek Milosz. Ein bekannter Frankfurter Bauunternehmer wird ermordet in den Oderwiesen Slubices gefunden. Daraus entwickelt sich ein spannender Fall rund um Prostitution, Stasi-Akten und die Frankfurter Kommunalpolitik. Wobei es nicht um einen Schlüsselroman geht, indem das reale Leben der Stadt verklausuliert geschildert wird. So verfilt, wie Bollmann Frankfurt schildert, ist die Stadt nicht. Bollmann vermeidet zum Beispiel die Nennung echter Parteiennamen. Bei ihm heißen sie „blaue ParteI“ oder orange. Auch die binationalen Verstrickungen sind so nicht passiert, könnten aber tatsächlich auftreten. Insofern macht Sören Bollmann alles richtig. Er schriebt einen spannenden Krimi rund um Mord, Bestechung, Prostitution und das mit Kommissaren, die leben, lieben und auch mal abstürzen können.

Die Andere Bibliothek entdeckt Henriette Herz

Henriette Herz in Erinnerungen, Briefen und Zeugnissen; neu ediert von Rainer Schmitz (Andere Bibliothek, Bd. 340)
Henriette Herz in Erinnerungen, Briefen und Zeugnissen; neu ediert von Rainer Schmitz (Andere Bibliothek, Bd. 340)

Neugierig war ich auf das Buch, aber auch voller Ehrfurcht. Mehr als 600 Seiten Erinnerungen, Briefe und editorische Hinweise zu einer Frau, die vor 200 Jahren lebte, schüchtern im Alltag doch etwas ein. Wobei sich das nicht auf das Geschlecht, sondern auf die Zeit und ihre Zeitgenossen bezieht, die einem ja doch nicht alle geläufig sind. Aber schon nach den ersten Seiten der Erinnerungen von Henriette Herz sind die Hemmungen weg. Die jüdische Berlinerin, die in ihrem Salon alle wichtigen Geistesgrößen zu Gast hatte, schreibt selbstbewusst, aber zurückhaltend und zieht den Leser ganz schnell in ihr Leben. Dieses faszinierend zu nennen würde nicht genügen, um das auch aus heutiger Sicht noch Besondere zu beschreiben.

Brandenburgisches Staatsorchester bläst uns fröhlich den Marsch ins neue Jahr

Den Vergleich zum traditionellsten Neujahrskonzert überhaupt, zum Konzert der  Wiener Philharmoniker, muss das des Brandenburgischen Staatsorchesters Frankfurt nicht scheuen. Howard Griffiths versprüht viel mehr Freude aufs Neue (Jahr), als es Daniel Barenboim jemals könnte. Obwohl auch er schon ein fröhlicher Mensch ist.  Aber kann man sich Barenboim mit einer Flasche Chianti in der Hand am Dirigentenpult vorstellen? Und dann auch noch das Publikum aufzufordern „Ja, ja, der Chianti-Wein“ bei der Zugabe zu singen?

Es ist genau diese Freude an der Musik, die Griffiths so wunderbar vermittelt. Und das nicht nur ans Publikum, sondern vor allem ans Orchester (und darüber dann wieder auch ans Publikum). Er weigert sich, der Musik einen Ernst anzuhängen, den sie nicht hat. Er kitzelt vielmehr die Ironie und den Witz aus den Stücken, sodass selbst aus Stücken wie dem Kaiserwalzer bei ihm nicht nur beschwingte Klänge zu hören sind, sondern auch all die ironischen Untertöne zwischen Preußentum und österreichischer Nonchalance, die in dem Stück von Johann Strauss jr. stecken. Das ist dann ganz große Unterhaltung und dabei auch noch richtig fröhliche Kunst.

Und wer kommt schon auf die Idee, ein Neujahrskonzert mit Pantomime zu krönen? Wolfram von Bodecker, Alexander Neander, Irene Fas Fita spielten eine herrliche Slapstick-Einlage zu Ottorino Respighis „Zauberladen“, bei der ein Bildhauer mit seinem Auftraggeber und der Statue, die er schafft, völlig durcheinander gerät. Wunderbar anzuschauen und großartig abgestimmt auf die Musik des Orchesters. Auch das war wieder eines der vielen Beispiele von Griffiths stetem Wunsch, Spaß auf Orchestermusik zu machen, das Publikum mitzunehmen und zu überraschen. Und das Orchester? Das hat diese Freude an der eigenen Arbeit vollständig verinnerlicht. Auch die Musiker haben Lust aufs Schmunzeln und Überraschen. Hoffentlich bleibt Griffiths dem Brandenburgischen Staatsorchester noch lange erhalten. Dann sind die Neujahrskonzerte in Frankfurt (Oder) und Potsdam auch weiterhin ein noch fröhlicherer und besserer Start ins neue Jahr als die Wien. Denn den Raddetzkymarsch darf man hier auch mitklatschen. Aber „Pomp Duck an Circumstances“ gibt’s nur vom Brandenburgisches Staatsorchester als Zugabe.

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