Zumutungen beim Durchgangsarzt in Wildau

Okay. Wir hätten auch früher da sein können. Nicht erst um neun Uhr, sondern schon um acht. Aber wahrscheinlich hätte das auch nicht viel gebracht. Tochters Handgelenk tat weh. Da sie auf dem Schulweg gestürzt war, war die freie Arztwahl ausgesetzt. Wir mussten zum Durchgangsarzt. Der in diesem Fall eine Frau in Wildau war.

Die Warteräume sind völlig überfüllt, als wir ankommen. Bei der Anmeldung warten wir in einer kleinen Schlange. Die Arzthelferin sitzt nicht an einem Schreibtisch oder Begrüßungstresen. Die Helferin der Durchgangsärztin sitzt in einem anderen Raum, um mit dem Bittsteller zu kommunizieren, öffnet sie ein kleines Fensterchen, nicht größer als eine Schießscharte. Blickkontakt ist nicht gewünscht,  nur das Profil der Protokollierenden ist zu sehen. So darf der Patient, der beim Durchgangsarzt in der Regel mit einem Bruch, einer Verstauchung oder Prellung – auf jeden Fall aber mit Schmerzen – aufschlägt, sein Behandlungsgesuch aufgeben. Bis ihm gesagt wird, dass er doch erst einmal Platz nehmen soll.

Wir saßen dann da. Nicht eine Stunde, auch nicht zwei, sondern tatsächlich geschlagene drei Stunden, in denen sich niemand um die Patientin kümmerte. Dann erst wurde die Tochter aufgerufen. Aber nicht um behandelt zu werden. Nein. Nur um einen Überweisungszettel zu bekommen. Zum Röntgen. Welch Überraschung! Drei Stunden warten, um zum Röntgen geschickt zu werden. Aber immerhin passierte etwas. Auch wenn diese Überweisung schon bei der Anmeldung hätte erfolgen können.

Nach dem Röntgen wieder warten. Da saßen wir wieder. Und waren uns sicher, dass es jetzt nicht mehr lange dauern kann. Aber was sind schon Sicherheiten bei der Durchgangsärztin in Wildau? Wenn überhaupt etwas sicher ist, dann ist es die Mittagspause. Die hält die Praxis ein. Um 13.00 Uhr kehrt Ruhe ein. Die Wartenden sind ja eh ruhig, haben sich nach so vielen Stunden des Ignoriert-Werdens ihrem Schicksal ergeben. Jetzt wird auch niemand mehr aufgerufen. Jede Hoffnung auf Behandlung entschläft.

Bis es nach einer halben Stunde wieder losgeht mit dem Aufrufen der Patienten. Wir werden kurz vor drei vorgelassen. Um dann erst einmal in einem Behandlungszimmer zu sitzen  – und zu warten. Aber jetzt sind es nur fünfzehn Minuten, in denen grimmig blickendes Personal den Raum passiert, bis sie endlich kommt: die Durchgangärztin! Ein Blick aufs Röntgenbild. Zur Sicherheit auch ein zweiter und ein dritter. Und dann endlich die Diagnose: Die Wachstumsfuge ist noch nicht dicht. Die Tochter wird also noch etwas wachsen. Und sonst? Schwer zu sagen, meint die Durchgangsärztin. Wir könnten es mit Gips oder Verband versuchen. Wie Tochter es will. Und dann sollten wir eine Woche schauen. Und in einer Woche gerne wiederkommen.

Wiederkommen? Und wieder warten? Sechs Stunden rumsitzen? Das geht uns sofort durch den Kopf. Aber wir sind zu ermattet, um Widerstand zu leisten. Das Warten betäubt den Geist. Erst an der frischen Luft belebt er sich langsam wieder. Erst zu Hause, regt sich die Empörung über dieses Praxis-Erlebnis. Und erst dann sind wir uns ganz sicher, dass wir in einer Woche hier nicht mehr warten werden. Hier nicht!

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