Hammelburg Einst und Jetzt (7): Blick auf Kloster Altstadt und Schloss Saaleck

Blick auf Kloster Altstadt und Schloss Saaleck um 1915 Blick auf Kloster Altstadt und Schloss Saaleck um 1915
Blick auf Kloster Altstadt und Schloss Saaleck im Juli 2012 Blick auf Kloster Altstadt und Schloss Saaleck im Juli 2012

Mehr Einst und Jetzt aus Hammelburg:
(1)  – Stadtpfarrkirche
(2)  – Rotes Schloss vom Weiher aus
(3)  – Am Kellereischloss
(4)  – Hüterturm
(5)  – Ruine Aura
(6)  – Baderturm
(7)  – Kloster Altstadt und Schloss Saaleck
(8)  – Kreuzigungsgruppe des Altstädter Kreuzwegs
(9)  – Blick von Schloss Saaleck auf die Stadt
(10) – Freibad (heute Saaletalbad) 
(11) – St. Nepomuk
(12) – Kissinger Straße
(13) – Hochhaus Breslauer Straße 2

Französische Revolutionslieder in der Übersetzung Mehrings

Walter Mehring war nicht nur Dramatiker, Romancier, Lyriker und Journalist. Er hat auch immer wieder übersetzt. Dabei scheute er auch Namen wie Balzac oder Shakespeare nicht. Sein außergewöhnliches Sprachempfinden, sein enormer Wortschaftz und die Fähigkeit selbst die schwierigsten Stoffe in Rhythmen zum Schwingen zu bringen, ermöglichten ihm bemerkenswerte Übersetzungen.

Ein kleiner Band von 1924 mit nicht einmal 65 Seiten ist eines der so entstandenen Bücher. “Französische Revolutionslieder” ist Band 1 der Malik-Bücherei des gleichnamigen Verlages von Wieland Herzfelde, dem Bruder John Heartfields. Die alten DADA-Kontakte führten wohl zu diesem Auftrag, dem Mehring gern nachkam. Jean Pottier und L.B. Clément heißen die Autoren der Chansons aus der Zeit der Pariser Kommune, denen Mehring seine Sprachgewalt borgte. Dabei erhielt er das Versmaß vollständig.

Diese Übersetzung ist aus zwei Gründen bemerkenswert. Zum einen bezieht sich Walter Mehring im Vorwort explizit auf seinen Vater Sigmar Mehring. Ja er übernimmt sogar vier Übersetzungen von ihm. Meines Wissens nach ist dies das einzige Mal, dass er sich so offensiv zu seinem Vater bekennt – außer in der “Verlorenen Bibliothek”. Zum anderen ordnet sich Mehring mit der Publikation und der Übersetzung der frühkommunistischen Chansons in die Tradition des Kommunismus ein. “Pottier wollte in Dichtung und Tat nur eins: Propaganda der kommunistischen Freiheitsidee!” schreibt er im Vorwort (S. 8). Und übernimmt damit diese Position.

Später wird er sich immer wieder stark von den Kommunisten distanzieren. Aber 1924, dem Jahr des Erscheinens, war in Deutschland noch nicht ausgemacht, ob die KP eine Freiheitspartei werden könnte oder eine, die Freiheit mit Füßen tritt. Der kraftvollen Übersetzung tut das keinen Abbruch.

Ein platter Reifen aktiviert Vorurteile

Dornen im Fahrradreifen
Dornen im Fahrradreifen

„Das kann doch nicht wahr sein! Wer macht denn so was?“ fluche ich in mich hinein. Der Vorderreifen des Fahrrads ist platt. Eindlich ist Sommer, endlich passen Urlaub und das Wetter zusammen, endlich etliche Stunden im Feibad verbracht – und dann das! Die ganze Entspannung weicht. Und das nur, weil irgendwelche Simpel den Reifen zerstochen haben.

Aber als ich mich schon auf den Weg machen will, um das Rad zu schieben, zeigt der Vorderreifen den tatsächlichen Übeltäter. Es ist ein Stück von einem Weißdorn oder einem anderen kräftigen Stachelgehölz. Der Häcksler des Gärtners hat es wohl ausgespuckt, so akkurat geschnitten wie es aussieht. Ein Lächeln macht sich auf meinem Gesicht breit. Es waren also keine bösen Buben, sondern nur meine schlechte Phantasie, die sofort danach suchte, Menschen, irgendwelche schlechten oder bösen Menschen für mein Missgeschick verantwortlich zu machen.

Aber so ticken wir offenbar. Es gibt immer irgendwelche Vorurteile, die uns die Welt sofort falsch erklären wllen. Obwohl ich ähnliche Erfahrungen mit drei Schubkarrenreifen im eigenen Garten schon machte. Auch da war es der Weißdorn, der sich durch den Gummi bohrte.

 

Fundstück im Familienalbum: Großmutter 1929 in Eichwalde

Großmutter im Juni 1929 in Eichwalde
Großmutter im Juni 1929 in Eichwalde

Die Qualität des Bildes ist recht schlecht. Deshalb überblättere ich es in einem alten Familienalbum auch zunächst. Doch dann entdecke ich meine Großmutter (2. v.r.). Ich löse es vorsichtig, so dass die Ecken des Albums nicht ausreißen, in denen das Foto fixiert ist. Und dann: „Eichwalde am 29. Juni 1929“ steht da auf der Rückseite.

Schon wieder eine dieser Verschränkungen von Vergangenheit und Gegenwart. Wieder einer dieser Zufälle, die in einem Roman dafür sorgen, dass alles logisch, alles schlüssig ist. Bezüge zu Berlin gibt es in der Verwandtschaft ja mehr als genug. Aber dass es sogar Bilder meiner Familie aus den 20er Jahren aus dem Eichwalde gibt, in dem ich nun schon zehn Jahre lebe, das ist doch wieder einer dieser Momente, bei denen man denkt: Vielleicht gibt es ja doch einen größeren Plan in all diesem Leben.

Qiu Shihua irritiert mit seinen weißen Landschaften

Der Ausstellungsraum im Hamburger Bahnhof mit den Bilder Qiu Shihuas
Der Ausstellungsraum im Hamburger Bahnhof mit den Bilder Qiu Shihuas

Beim Betreten des Saales blendet das Weiß. Nicht nur die Wände sind weiß, auch die Bilder sind alle weiß. Qiu Shihua bemalt große Flächen mit dieser klaren Farbe – und mit ganz wenigen Abstufungen.

Man muss ganz nah an die Bilder rangehen, dann stellen sich die Augen auf die Qiu Shihuas Leinwand ein, dann werden sanfte Strukturen sichtbar.

Wer ganz genau hinsieht, erkennt das Durchschimmern einer Sonne durch dichten Nebel. Und er nimmt Strukturen von Landschaften wahr.

Qiu Shihua: Ohne Titel
Qiu Shihua: Ohne Titel

Vor den Bildern können die Augen beginnen zu schmerzen. Eine Erfahrung, die ich beim Betrachten von Bildern noch nicht machte. Sie zwingt zur vollen Konzentration – und zu einer Innerlichkeit, die weh tut, weil das Äußere kaum noch Halt gibt.

Qiu Shihuas Ausstellungsraum
Qiu Shihuas Ausstellungsraum

Nur der Raum gibt Halt. Eine irre Erfahrung, wie sich die eigene Wahrnehmung verändert. Eine Irritation, die nachwirkt, weil sie zeigt, dass der genaue Blick manchmal schmerzhaft, aber dann auch sehr erkenntnisreich und dadurch anregend und belebend sein kann.

La Brassbanda sind live dramatisch gut – jetzt auch auf CD

La Brassbanda: Live
La Brassbanda: Live

Die Platte klingt wie das Konzert. Und zwar ziemlich genauso, wie das Konzert im Berliner Astra im Herbst vergangenen Jahres. Aber die neue La Brassbanda CD ist ein Mitschnitt des Konzerts in der Münchner Olympiahalle. Das zeigt zum einen, wie professionell die fünf vom Chiemsee sind. Und es zeigt zum anderen, wie großartig der Klang der Band live und auf CD ist.

Das Konzert im Herbst war ein besonderes. Leicht erhöht verfolgte ich es zum größten Teil sitzend, weil meine Begleitung verletzt war. Am der Seitenwand gibt es eine kleine Rampe für Rollstuhlfahrer. Auf ihr saßen wir und von dort hatten wir einen freien Blick auf die Bühne und auf die tanzende, bebende Menge. Das war großartig. Genau wie die Musik. La Brassbanda ist auf den beiden Studio-CDs schon irre. Aber live drehen sie noch schneller, noch lauter, noch wuchtiger auf.

Von „bayerischem Techno“ sprechen sie selbst. Damit meinen sie die ungeheuer schnellen Beats, die sie nicht mit Computern, sondern mit der Tuba erzeugen (auch wenn Elektronik im Hintergrund eine Rolle spielt). Jeder Ton von Trompete, Posaune und Tuba steckt so voller Leben, voller Freude, dass sich jede Zelle in Hirn und Körper angesprochen, angestoßen, angeregt fühlt. Alles bewegt sich. Alles muss sich bewegen.

Deshalb war es schwer, im Astra so viel zu sitzen – auch wenn es ansonsten mehr als richtig war. Schließlich sollte es ein gemeinsamer La BrassBanda-Abend sein. Da wäre es falsch gewesen, wenn sie sitzen muss und er tanzen darf. Und umso schöner ist es jetzt, die Live-CD jetzt einlegen zu können. Vielleicht auch mal mit der schon lange genesenen Begleitung von damals.

Mehr von La Brassbanda:
Spiegel-Online feiert La Brassbanda
Übersee ist eine besondere akustische Heimat

Holzgeschenke für Nazis und Ostalgiker

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Wer kennt sie nicht, diese gebrannten oder bemalten Holztäfelchen mit Sinnsprüchen der eher dümmlichen Art? Neu war mir, dass es sie auch für Nazis und ähnlich gesinnte historisch Zurückgebliebene gibt.

Ein Stand auf einem Volksfest. Dutzende ovale Täfelchen werden angeboten. Darunter Tafeln für den ewiggestrigen Ossi und – noch schlimmer – für den Nazi, der von der rein deutschen Zone träumt. Da es solche Angebote in der Marktwirtschaft nur gibt, wenn Absatz winkt, scheint das Produkt auf dem Volksfest wohl platziert.

Aber fotografieren darf man es nicht. Der Naziausstatter will nur verkaufen, aber auf keinen Fall, dass darüber gesprochen wird. Den Gefallen kann ich ihm nicht erfüllen. Auch wenn er beim Knipsen „Unverschämt!“ schäumt. Und seine Frau versucht das Produkt verschämt zu verdecken. Doch unverschämt sind die Produkte für Nazis und Ostalgiker. Und nicht der angeekelte Blick darauf.

Bauchtanz beim Griechen

Das frische Brot gibt bei leichtem Druck wunderbar nach. Wenn es durch das Taramas gezogen wird, zieht es die feine, rosa Paste richtig ein. Auf der Zunge zergehen beide. Beim Stamm-Griechen schmeckt es einfach am besten.

Dann ertönt türkische Musik. Beim Griechen! Und eine Maja sagt, dass sie aus dem Orient kommt. Und für die große Geburtstagsversammlung den Bauch tanzen lassen werde. Die Musik wird lauter, aus der klassischen Bauchtanzmusik wird türkischer Elektropop. Maja begeistert die Festgesellschaft. Der Jubilar – vielleicht seit heute 60 Jahre alt – trägt eine Art roten Turban. Die aktivsten Feierfrauen assistieren Maja auf Stühlen. Bäuche schwingen, Pölsterchen vibrieren, Schwarten schwanken. Der rote Turban führt eine Polonaise an. Und zwar zu einem Sirtaki. Natürlich in einer Technoversion. Das Geburtstagsfest dampft. Und stampft. Und ist glücklich.

Das Essen schmeckt dennoch. Selbst der bizarre Rahmen kann den Genuss nicht ruinieren. Nur eine Erkenntnis wächst langsam in mir. Wenn es so ist, alt zu werden, dann habe ich seit dem Bauchtanz beim Griechen das erste Mal Angst davor.

Anthony McCalls Licht-Installation blendet im Dunkeln


Der erste Schritt führt ins Schwarze, ins Nichts. Nur einige weiße Lichtspiele von einer zur anderen Wand bieten Halt. Wer die Lichtinstallation „Five Minutes of pure Sculpture“ von Anthony McCall betritt, erlebt verwirrte Sinne.

Ganz klein sind die ersten Schritte. Unsicherheit, ja der Widerhall von Urängsten, schwingt beim Betreten der dunklen Halle im Hamburger Bahnhof mit. Die Hände suchen nach Halt, den es nicht gibt, nicht geben kann, da der Raum leer ist. Bis auf einige Besucher, die sich nur in ganz dunklen Umrissen wahrnehmen lassen. Aber langsam gewöhnen sich die Augen an das Schwarz-Weiß, das in dieser Kunstwelt dominiert. An der Wand zeichnen sich verändernde Formen ab – und quer durch den Raum ein weißer Lichtkegel, der sich in einer sehr engen Lichtquelle bündelt.

Der Blick in dieses Weiß schmerzt zunächst. Doch dann wird das Sehen immer genauer. Graustufen tauchen auf. Der Schritt in den nächsten Raum fällt schon leichter. Noch immer ist es ganz dunkel. Aber hier strahlen die beweglichen Lichtkegel nach unten. Das Raumempfinden bekommt zusätzlichen Halt – und fühlt sich wie in einer Kathedrale in der Dämmerung an. Beim Eintreten in einen dieser Lichtkegel zucke ich unwillkürlich zurück. Aber das Licht schmerzt nicht. Es ist weder warm noch kalt, noch schneidet es, obwohl es den Raum in Lichtzonen und Dunkelzonen zerteilt.

Und dann sind da auf einmal neue Grautöne zu sehen. Sie zeichnen sich im Lichtkegel ab. Sie verändern sich wie Wolken – und erzeugen so sich verschiebende, sich drehende und sich auflösende, fließende Muster in Grautönen. Jetzt haben sich die Augen ganz auf den Raum eingestellt. Die Schritte sind wieder so sicher wie immer, auf einmal nimmt die Nase wieder leichte Gerüche wahr und die Anspannung des gesamten Körpers weicht einer erstaunten, frohen Entspannung.

Unglaublich, wie dieses Schwarz und dieses Weiß von Anthony McCall die Sinne herausfordert, um dann in Schönheit aufzugehen.

 

Familienausflug zu IKEA

Ausflug zu IKEA
Ausflug zu IKEA

Sie wollten baden. Und landeten bei IKEA. Ein vollständig freier Samstag kann die merkwürdigsten Wendungen nehmen. Da will man das schlechte Wetter schnell nutzen, um eine Kleinigkeit zu kaufen – und schon ist das Auto voll. Alle wollen mit. Denn der Regen verhindert das Baden. Und die vier gelben Buchstaben auf blauem Grund wirken wie Magneten.

Der Verdruss ist groß – bei mir. Wie soll das denn gut gehen? Ein Möbelhausbesuch mit der ganzen Familie. Ständig wird der eine hier stehen bleiben, die andere dort Probe sitzen, der nächste an jener Schublade ziehen und die letzte von Hunger oder Durst nörgeln. Meine Laune sinkt. Aber die der Familie steigt angesichts des unverhofften IKEA-Ausflugs.

Und dann? Dann sind alle entspannt. Sie sitzen zwar Probe, aber ständig zusammen. Sie ziehen an Schubladen, aber stets gemeinsam. Sie schmeißen sich auf Betten, aber immer so, dass sie zusammen Spaß haben. Mit jedem Meter mehr in der Möbelausstellung sinkt meine Anspannung etwas. Alle Befürchtungen schwinden. Statt Stress herrscht Spaß. Selbst ich kann mich dem nicht entziehen und muss die ungeliebte Last als Familienfreude akzeptieren. Ja, selbst ich habe Spaß im schwedischen Möbelcenter, an einem Ort, den ich sonst meide. Aber mit einer so gut gelaunten Familie, geht es gar nicht anders.