Neue Rockoper im alten Gewand: Ignorance & Vision

Die ersten Takte klingen, als hätte Lou Reed mit Velvet Underground einen neuen Song eingespielt. Dann wird am Sound vor allem durch den Einsatz anderer Stimmen gedreht – und schon wird der Hörer in ein unbekanntes Album von Queen versetzt. Für eine CD,
die gerade erst auf den Markt gekommen ist, eine sehr ungewöhnliche Mischung!

My Baby wants to eat your Pussy (MBWTEYP) nennt sich die Band, der das einfällt. Vier Jahre sind die sechs Musiker schon zusammen, haben unzählige Konzerte gespielt. Aber „Ignorance & Vision“ ist das Debüt. Wer auf vielschichtigen Rock steht, wird bestens bedient.

MBWTOYP hat die Rockgeschichte nicht nur gehört, sie formt daraus eine irre Mischung aus Neuem und Zitaten von Altem. So sorgt die Band für ständige Überraschungen – und die Gewissheit, dass man sich das Album immer und immer wieder anhören kann, weil es immer noch Neues zu entdecken gibt. Die Rockoper handelt von Liebe und Jungen und Mädchen. Das ist nichts Besonderes, die Musik aber schon. Sind da wirklich nur MBWTEYP zu hören oder auch David Bowie, Van der Graaf Generator, The Who, Red Hot Chilli Peppers?

Kleiner Mann ganz machtgeil

Budd Schulberg: Was treibt Sammy an?
Budd Schulberg: Was treibt Sammy an?

Was treibt Männer an, die nach immer mehr Macht und Einfluss streben? Das ist eine Frage, die schon in der Antike die Literatur beschäftigte. Einer der intelligentesten Romane des 20. Jahrhunderts dazu ist jetzt bei Kein &
Aber in Zürich erschienen. Budd Schulberg (93) veröffentlichte sein Meisterwerk 1941. Doch das merkt man dem Roman „Was treibt
Sammy an?“ auf keiner einzigen Seite an.

Wer nicht weiß, dass Schulberg als Drehbuchautor in Hollywood in den 50er-Jahren sogar einen Oscar bekam, der liest und liest und liest dieses Buch, ohne richtig Atem holen zu können. Denn Titelheld Sammy Glick gönnt sich das auch nicht. Und Autor Schulberg beschreibt dies so modern, als wäre das Buch erst dieses Jahr erschienen.

Das liegt auch an der hervorragenden Übersetzung von Harry Rowohlt. Der sorgt dafür, dass der Sprachwitz und der Tonfall des Textes auch im Deutschen wunderbar funktionieren. Der Ich-Erzähler Al Mannheim lernt Sammy Glick als Redaktionsboten kennen. Immer wieder fragt Sammy den Kolumnisten aus, bis er mit einer eigenen Kolumne an ihm vorbeizieht. Das Wissen dafür hat Sammy natürlich von Al. Obwohl der es nicht will, beginnt ihn das Phänomen Sammy zu interessieren. Er stellt sich die Frage: Was treibt Sammy an?

Später in Hollywood arbeiten sie beide als Drehbuchautoren. Auch hier ist es der jüngere Sammy, der sich nach oben durchbeißt. Und das auf Kosten von Menschen, die er gnadenlos ausbeutet. Sammy ist auf Macht fixiert. Um sie zu steigern, ist er bereit, fast alles zu machen. Seine Kreativität nutzt er im Filmbusiness nur, um die Ideen anderer für sich auszubeuten. Und schon beginnt er Geld zu verdienen. Denn das ist das eine augenscheinliche Zeichen für Macht.

Das zweite ist der ungeheuerliche Verschleiß an Frauen. Die interessieren Sammy nicht als Menschen, sondern nur als Ausweis seiner Macht, seiner Potenz. Deshalb müssen immer neue Mädels ran, deshalb aber funktioniert mit Sammy auch keine einzige Beziehung. Schulberg beschreibt die bescheidene Herkunft Sammys. Und der schildert, wie Sammy bereit ist, über andere hinwegzugehen, sie in den Dreck zu stoßen, wenn es seiner Macht nützt.

BUDD SCHULBERG: WAS TREIBT SAMMY AN? ÜBERSETZT VON HARRY ROWOHLT. KEIN & ABER, 19,90 EURO.

Orsihas: Cosita Buena

Orishas: Costa buena
Orishas: Costa buena

Cosita Buena ist das vierte Studioalbum der Orishas . Vor knapp zehn Jahren taten sich Roldán González, Hiram Riveri Ruzzo und Yotuel Romero als kubanische Exilanten zu einer Band zusammen. Sie formten eine Mischung aus traditioneller kubansicher Musik und Hip-Hop. Beim ersten Album von Culcha Candela klang einiges so, wie bei den enorm erfolgreichen Orishas . Mit Cosita Buena gehen sie einen weiteren Schritt Richtung eigenständigen Sound. Zwar ist immer klar, dass hier Kubaner am Werk sind, doch die Musik distanziert sich vom Kitsch des Buena Vista Social Club auf angenehme Art. Der Hip-Hop dominiert genauso wenig. Heraus kommt eine extrem hörbare Scheibe, die wie der musikalische Aufbruch in die Zeit nach Fidel Castro klingt.