Empörung in Eichwalde – Weil ein Lehrer öffentliche Gelder sparen wollte, beschwerte sich ein PDS-Mann beim Schulrat

Weil er sparen wollte, muss sich ein Lehrer in Eichwalde mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde herumschlagen. In der idyllischen Gemeinde am Berliner Stadtrand führte der Streit über diesen ungewöhnlichen Vorgang jetzt auch zur Spaltung des Gemeinderates. Eine Mehrheit aus SPD, CDU und freien Wählern hat alle Mandatsträger der PDS zum Rücktritt aufgefordert. Denn es war der PDS-Fraktionschef Martin Kalkhoff, der die Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Jörg Jenoch verfasste.

Jenoch ist Lehrer am Eichwalder Gymnasium und Gemeindevertreter für „Wir in Eichwalde“ (WIE), einer Wählervereinigung engagierter Bürger. 6,5 bis 7 Millionen Euro will sich Eichwalde den Ausbau der Grundschule zur Halbtagsschule kosten lassen.
Für Jenoch und Kollegen Sven Moch ist das jedoch zu viel. Jenoch: „Wir wollen diese Schule. Aber die derzeitige Planung ist überdimensioniert. Die Baukosten lassen sich sehr einfach um zwei Millionen reduzieren ohne das pädagogische Konzept zu gefährden.“ Sven Moch geht noch weiter: „Zurzeit ist Eichwalde schuldenfrei. Gut zwei Millionen liegen auf der hohen Kante. Mit dem geplanten Bau läuft Eichwalde in die Schuldenfalle und setzt die Selbstständigkeit aufs Spiel.“
Mit seiner Dienstaufsichtsbeschwerde beim Wünsdorfer Schulrat wollte Kalkhoff Jenoch offenbar zum Schweigen bringen: „Wir gestatten es nicht, dass ein Lehrer, der als Lehrer argumentiert, andere Meinungen vertritt und so die Gesamtmaßnahme Bildungsstandort Stubenrauchstraße gefährdet“, sagte er dem Tagesspiegel. Der Schulausbau wurde mit großer Mehrheit beschlossen. Für die PDS ist er für die Zukunft Eichwaldes unerlässlich. Da der PDS-Fraktionschef der Meinung war, dass Jenoch dem Lehrerkollektiv der Humboldt-Grundschule unterstelle, dass es die Halbtagsgrundschule gar nicht will, setzte er die Beschwerde auf. Dafür hat Schulrat Werner Weiss kein Verständnis. Weiss: „Wenn jemand in seiner Freizeit politisch tätig ist, dann unterliegt diese politische Tätigkeit nicht der Aufsicht des Dienstherren“, sagt er. Und weiter: „Das wäre ja noch schöner. Das hatten wir in der Russen-Zone.“ Der Lehrer Jenoch selbst hat lange gezögert, mit der Dienstaufsichtsbeschwerde an die Öffentlichkeit zu gehen. Es bleibe ja immer etwas hängen, befürchtete er. Aber der Angriff auf seine berufliche und wirtschaftliche Basis hat ihn doch zu sehr an frühere Zeiten erinnert. Mit Jenoch solidarisierten sich auch CDU und SPD, obwohl sie den großen Schulausbau mittragen.
Die SPD stellte den Antrag, dass alle Mitglieder des Gemeinderates, die von der Dienstaufsichtsbeschwerde wussten, zurücktreten sollen. Bärbel Schmidt (SPD), die Gemeinderatsvorsteherin begründet das so: „Martin Kalkhoff und seine Fraktion wollten disziplinarische Maßnahmen gegen Andersdenkende zu deren Einschüchterung erzielen.“ Darüber ist sie so erschüttert, dass sie sagt: „Wer so denkt, hat keinen Platz in einem demokratisch gewählten Gremium.“ Um zu unterstreichen, wie ernst es ihr ist, kündigte Bärbel Schmidt ihren Rücktritt an. Denn 2003 wurde sie mit den Stimmen von SPD und PDS gewählt. Auf diese Mehrheit will sie sich jetzt nicht mehr stützen. Mit neun zu acht Stimmen forderte der Gemeinderat nun am vergangenen Donnerstag die PDS-Kollegen zum Rücktritt auf. Erzwingen kann er diesen nicht.
Das weiß auch Kalkhoff: „Wir haben mit vielen Genossen beraten und sind weiterhin bestrebt, unsere Mandate auszufüllen“, sagt er. Der Bürgermeister von Eichwalde, Ekkehard Schulz, der ebenfalls PDS-Mitglied ist, hat dafür volles Verständnis. Er glaubt zwar inzwischen auch, dass die Dienstaufsichtsbeschwerde, von der er wusste, ein Fehler war. Persönliche Konsequenzen daraus will aber auch er nicht ziehen. Viele Gemeindevertreter sind jedoch der Ansicht, dass auch der Bürgermeister zum Rücktritt aufgefordert worden ist. Womit die nächste Runde im Streit zwischen PDS und dem Rest von Eichwalde eingeläutet sein dürfte. Mit Ruhe und Beschaulichkeit ist es am Zeuthener See erst einmal vorbei.

Borgolte findet die Europas Wurzeln in der Religion

Die Geschichte Europas will der Siedler Verlag abbilden. Im aktuellsten Band des Projekts sprengt Michael Borgolte, Leiter des Instituts für vergleichende Geschichte Europas im Mittelalter an der Berliner Humboldt-Universität, den engen geografischen Rahmen. In „Christen, Juden, Muselmanen – Die Erben der Antike” stellt er zunächst die Entwicklung der großen monotheistischen Religionen dar.

In ihnen sieht er das zentrale Element der Spätantike und des frühen Mittelalters. Es gelingt ihm, Unterschiede, vor allem aber Gemeinsamkeiten im Denken und Glauben darzustellen. Im zweiten Teil des Buchs  gewinnen die Unterschiede Gewicht, denn in ihm geht es um das weltliche und religiöse Herrschaftsverständnis. Während die katholische Welt die Trennung der religiösen und  politischen Sphären lernte, erhielt sich bei orthodoxen Christen und im Islam der allumfassende Anspruch des Herrschers. Borgolte räumt dem Interesse am Austausch der  Kulturen im dritten Teil Raum ein – und öffnet den Blick für die Chancen des Dialogs mit dem Islam.

Michael Borgolte: Christen, Juden, Muselmanen – Die Erben der Antike. Siedler Verlag. 608 Seiten. 74,00 Euro.